VIII.  Die Kirche

 

 

 

1. Kirche

 

 

Mutter Teresa:

 

Mutter Teresa lebte ihr ganzes Leben in der katholischen Kirche.

Für sie selbst war diese Tatsache eine Selbstverständlichkeit, für viele andere jedoch zumindest ein Grund zum Staunen.

Wenn es um die Frage eines vorbildlichen Christen ging, wurde ihr Name so automatisch und oft auch ausschließlich genannt, dass man manchmal den Eindruck haben konnte, Mutter Teresa sei die letzte glaubwürdige Zeugin der gesamten gegenwärtigen Kirche.

 

Mutter Teresa war zumindest in den letzten fünfundzwanzig Jahren ihres Lebens in Bezug auf ihre weltweite Anerkennung eine wirkliche Ausnahmeerscheinung.

Papst Paul VI. bezeichnete die kleine Nonne im November 1976 bei einer Privataudienz als „seinen größten Trost in der Kirche“, und sie erhielt laufend Preise und Auszeichnungen von Vertretern der verschiedensten Religionen und Weltanschauungen.

  

Was ihren Ruhm nur noch förderte war die Tatsache, dass sie all diese Lobeshymnen scheinbar unberührt über sich ergehen ließ, um Jesus Christus und seiner Kirche einen Dienst zu erweisen.

Ohne sich jemals für einen fragwürdigen Triumphalismus vereinnahmen zu lassen, wusste Mutter Teresa sehr wohl, ihre Ausnahmestellung im Leib Christi in großer Verantwortlichkeit und Klugheit zum Wohl eben dieses Leibes zu nutzen.

 

Ohne Übertreibung lässt sich ihre besondere kirchliche Position mit der des heiligen Franziskus vergleichen.

Jeweils in einer Zeit der breiten und heftigen Kritik an der kirchlichen Hierarchie, insbesondere des Papstes, genossen diese beiden Menschen, trotz ihrer ausdrücklichen Anerkennung eben dieser Hierarchie, eine unvergleichliche Anerkennung und konnten ihren Einfluss im Sinne der Einheit der Kirche einsetzen.

 

Wenn Mutter Teresa beispielsweise über die Abtreibung sprach, so hatte dies in weiten Teilen der Öffentlichkeit  zweifelsohne mehr Bedeutung, als wenn der Papst selbst dies tat, und doch bestärkte es natürlich gerade dessen Autorität in für ihn selbst nahezu verschlossenen Bereichen.

 

Ihre Zugehörigkeit zu dieser umstrittenen Kirche war derartig unumstritten, dass kein Mensch ernsthaft von ihr gefordert hätte, sich von ihr zu trennen.

Die ihr wohl oft gestellte Frage hingegen, was sich in der Kirche ändern müsste, beantwortete sie einem Journalisten gegenüber mit drei Worten: „Ich und Sie.“

 

„Die Kirche ist unsere Familie, und wie jede Familie müssen wir zusammen leben können...

Ich betrachte es nicht als Einschränkung, Katholikin zu sein und der katholischen Kirche anzugehören: Wir brauchen uns nur zu lieben und zu verstehen...

Wir dienen Christus. In unserem Haus ist er das Familienoberhaupt, und er trifft alle Entscheidungen. Für Christus ist die Kirche die gleiche, gestern, heute und morgen.

Für Gott ist alles einfach.

Gottes Liebe zu uns ist größer als all die Konflikte, die vorübergehen werden.“ [176]

 

„Ja, aber wer ist denn die Kirche? Das sind doch wir, Sie und ich!

Jesus brauchte keine Paläste, nur Menschen brauchen dies. Aber die Kirche, das sind die, die ihm nachfolgen, sonst nichts. Und dies versuche ich täglich von neuem...“ [177]

„Menschen aller Nationalitäten sind in unserer Gemeinschaft willkommen. Auch in dieser Hinsicht - wie in jeder andern - möchten wir Kinder unserer Mutter Kirche sein.

Nationalismus ist unvereinbar mit unseren Konstitutionen; wir würden dem Geist unserer Berufung untreu. Deshalb sollten wir nie eine schlechte Meinung von Leuten haben, die einer anderen Nation angehören; das zeugt von einem großen Mangel an Liebe.“ [178]

 

 

 

Frère Roger:

 

Auch Frère Rogers Leben steht ganz ausdrücklich im Dienst für Jesus Christus und seine Kirche. Dabei ist ihm die besondere Aufgabe zuteil worden, als Mitglied der reformierten Kirche in führender Stellung für eine wirkliche Einheit der Kirche zu leben.

Mit seinem Namen verbinden sich geschichtsträchtige Ereignisse der Ökumene und die nie  verlöschende Hoffnung, das scheinbar Unmögliche und schlussendlich doch einzig Mögliche verwirklicht zu sehen.

 

Frère Roger ist ein Symbol für die universale Kirche geworden, und sooft man an ihn denkt, denkt man zugleich an die protestantische, orthodoxe und katholische Kirche.

Sein Einfluss und Ansehen sind in allen drei Glaubensgemeinschaften seit mehr als dreißig Jahren unvermindert groß, und wer das Gemeinsame über das Trennende stellen möchte, ist mit der Berufung auf seine Autorität gut beraten.

 

Er hat die wesentlichsten Phasen der Kirchengeschichte des 20. Jahrhunderts aktiv und mit einem einzigartigen Weitblick miterlebt, und wohl kein anderer ist in dieser Zeit mit derartig vielen verschiedenen kirchlichen Entscheidungsträgern zu intensiven, wegweisenden Gesprächen und Gottesdiensten zusammengekommen wie er.

 

Frère Rogers besondere Begabung, die Jugendlichen anzusprechen hat ihm eine weltweite Zuhörerschaft  beschert, die ihresgleichen sucht. Der universale Horizont, der bei allen seinen Aussagen über die Kirche mitschwingt, hat sich zumindest in seiner Person schon auf eindrucksvolle Weise verwirklicht.

 

Der Ort Taizé und die dort wirkende Communauté schließlich sind bis zum heutigen Tag in ihrer Anziehungskraft und Ausstrahlung weltweit einzigartig geblieben und für das christliche Leben der Gegenwart von entscheidender Bedeutung.

 

Alle diese erstaunlichen Tatsachen lassen das Geheimnis des auferstandenen Herrn Jesus Christus aufleuchten und dienen der Vollendung von Gottes Heilsplan mit den Menschen. 

Ein kleiner Mann mit einer großen Liebe zu Gott und den Menschen hat in der Gemeinschaft der Christen, der Kirche, bis zum heutigen Tag sehr vieles zum Guten wenden können.

 

 

„Du möchtest ohne Aufschub Christus nachfolgen - denk daran: du bist nicht allein, du lebst mitten in der Kirche. Die geheimnisvolle Gegenwart des Auferstandenen erweist sich durch den heiligen Geist in einer sichtbaren Gemeinschaft, der Gemeinschaft seiner Kirche...

Christus ist Gemeinschaft.

Er ist nicht gekommen, um eine weitere Religion zu stiften, sondern in ihm eine Gemeinschaft zu schenken...

Wie hätte ohne das Geheimnis der Gemeinschaft, das die Kirche ist, das Licht des Auferstandenen durch die Jahrhunderte weitergereicht werden können, von Maria und den Aposteln bis heute ?“ [179]

 

„Die Kirche lieben, allein, ohne Christus, das würde zur  Unerbittlichkeit führen.

Doch Christus allein lieben, ohne seinen Leib, bewirkt in uns eine Beschränkung.

Christus lieben und die Kirche lieben, das ist eins.

Diese Worte beschäftigen mich immer wieder.“ [180]

 

 

 

2. Ökumene

 

 

Mutter Teresa:

 

Besonders im Bereich der Verständigung zwischen den Religionen, der universalen Ökumene, hat Mutter Teresa ein beispielhaftes Leben geführt.

Ihre Popularität bei den Angehörigen der verschiedensten Glaubensgemeinschaften mag einerseits verwundern, aber andererseits ist sie ein für unsere Zeit bedeutsamer, sehr einfacher Hinweis.

 Die Feiern zum 25. Jahrestag der Gründung der Gemeinschaft der Missionarinnen der Nächstenliebe, der am 7. Oktober 1975 begangen wurde, können dabei als eindrucksvolles Beispiel dienen. Auf Mutter Teresas ausdrücklichen Wunsch hin sollten keine Spendenaufrufe im Namen des Jubiläums erfolgen und auch nicht eine Rupie ausgegeben werden. Dasselbe galt für Konzerte oder Ansprachen. Es sollte weder Broschüren, noch Flugblätter, Fotos oder Bilder geben.

 

Die Festlichkeiten für das Silberjubiläum dauerten einen Monat.

In Kalkutta versammelten sich Menschen, die aus allen Kontinenten angereist waren, zusammen mit dem Erzbischof  und mit dem Gouverneur von West-Bengalen in der Kapelle des Mutterhauses zu einer Heiligen Messe.

Es war nur einer in einer Reihe von Dankgottesdiensten, die am 28. September mit einer Andacht in der American Holy Church in Nazareth begann und Gottesdienste in der methodistischen Kirche, der katholischen Kirche zum Allerheiligsten Rosenkranz, der anglikanischen St. Paul´s Cathedral und der syrischen Mar Thomas Kirche einschloss.

Die Gebete wurden gemeinsam mit Moslems, Sikhs, Parsen und Jains gesprochen.

 

Zum Abschluss eines Gottesdienstes in einem buddhistischen Tempel schenkte der Vorsteher der Mönche der Mahabodhi-Gesellschaft Mutter Teresa zwei elektrische Kerzen, die, wie er sagte, für immer brennen würden, als Symbol ihres Werkes.

Bei einer Versammlung von Gottes Kirche klatschte eine große Gemeinde fröhlich in die Hände und sang unter einem Banner mit den Worten: „Missionarinnen der Nächstenliebe-25Jahre-Christi Liebe lebt weiter.“

In der jüdischen Synagoge erhielt Mutter Teresa das Privileg, das Allerheiligste betreten zu dürfen.

 

Mutter Teresa betrachtete alle die Gebete, die weltweit dargebracht wurden, als das beste Geschenk an Gott. Was sie als etwas Wunderbares ansah, war die Art, in der verschiedene religiöse Gemeinschaften eingewilligt hatten, das Dankgebet in ihren jeweiligen Andachtsorten in Kalkutta zu sprechen. 

  

Mutter Teresas eigentliches Geheimnis bleibt auch dann ein Geheimnis, wenn man es mit Worten der menschlichen Sprache zu beschreiben versucht, daher soll dieser Versuch hier  getrost unternommen werden:

Es war die Liebe des dreifaltigen Gottes, die in Mutter Teresas Person, ihren Worten und Handlungen auf so mächtige Weise zum Ausdruck kam, das sich nahezu jedes menschliche Geschöpf dieses einen Gottes von ihr in irgendeiner Weise berührt fühlte.

 

Vieles zu diesem Thema ist schon in anderen Kapiteln besprochen worden und soll an dieser Stelle mit Hilfe von einigen Begebenheiten aus ihrem Leben verdeutlicht werden.

Selbst wenn man schon einiges über Mutter Teresa gehört und gelesen hat, und meint, ihre grundsätzlichen Anliegen verstanden zu haben, so verblüfft deren konsequente Umsetzung in unsere heutige Welt doch immer wieder.

 

Ihren christlichen Grundprinzipien treu bleibend und diese damit auch für die anderen bewahrend, ist sie Schritt für Schritt von einem einzelnem Ereignis zum nächsten vorangeschritten und hat dadurch auch die Verständigung zwischen den Religionen weitergebracht.

 

Im Jemen, der ein moslemisches Land ist, bat Mutter Teresa einmal  einen reichen Mann, eine Moschee zu errichten, weil die Menschen einen Ort zum Beten brauchten. Sie sagte zu ihm: „Es sind alles ihre moslemischen Brüder und Schwestern. Sei brauchen einen Ort der Begegnung mit Gott.“ [181]

 

Ohne Scheu vor Missverständnissen zitierte  sie andererseits  die Worte Gandhis, der gesagt hatte: „Wenn die Christen wirklich die Liebe Gottes leben, dann wird es in Indien keine Hindus mehr geben.“ [182]

 

Die Schwestern Mutter Teresas in Jerusalem mussten von den Juden zu den Arabern und von den Arabern zu den Juden gehen. Eines Tages erklärten einige Araber:

,Sie müssen erschossen werden.’

Die Missionarinnen der Nächstenliebe bereiteten sich ruhig aufs Sterben vor.

Dann erkannten die Araber, dass sie dabei waren, einen Fehler zu begehen, und sie sagten:

,Nein, die nicht. Auch wenn sie kommen und gehen, sie tragen keine Kameras und Tonbandgeräte mit sich. Sie helfen den Armen. Sie sind Engel.’“ [183]

 

Ein indischer Regierungsbeamter schließlich sagte einmal zu Mutter Teresa: „Sagen Sie mir die Wahrheit: Sie würden es gerne sehen, wenn ich Christ würde? Sie beten dafür?“

Sie antwortete: „Wenn Sie etwas wirklich Gutes besitzen, dann möchten Sie es mit Ihren Freunden teilen. Ich denke, dass Christus das Beste in der Welt ist, und ich möchte, dass alle ihn kennen und lieben wie ich. Aber der Glaube an Christus ist eine Gabe Gottes, die er nach seinem Belieben verteilt.“ Der Beamte war damit anscheinend zufrieden. [184]

 

 

„Auf welche Weise ich den Zugang zu Gott suche?

Nun, ich versuche es natürlich als Katholiken, Sie vielleicht als Hindu, jemand anderer als Buddhist, jeder nach dem eigenen Gewissen.

Was Gott in ihrem Herzen ist, das müssen Sie annehmen. Aber ich kann es nicht verhindern, dass ich versuche, Ihnen zu geben, was ich habe.

Ich scheue mich nicht, zu sagen, dass ich Jesus liebe, denn er ist mir alles.  Sie aber haben vielleicht ein anderes Bild in ihrem Leben. Und so muss Bekehrung verstanden werden - die Leute glauben, Bekehrung sei einfach ein Wandel über Nacht. So ist es nicht...

Nicht einmal der allmächtige Gott kann jemand zwingen.

Sogar Jesus, obwohl er Gott selbst war, konnte die Herzen der Menschen nicht bekehren, wenn sie es ihm nicht erlaubten.“ [185]

 

 

 

 

 

Frère Roger:

 

Frère Rogers Leben ist besonders durch seinen Einsatz für die Verständigung zwischen den Christen der verschiedenen Konfessionen, also der christlichen Ökumene, geprägt.

An dieser Stelle sollen auch die Hindernisse erwähnt werden, die er dabei mit großer Klugheit und Geduld überwinden musste. 

 

Schon als Jugendlicher sah er tagtäglich die schmerzlichen Folgen der Glaubensspaltung, denn in seinem Geburtsort versammelten sich die Angehörigen der beiden Konfessionen an verschiedenen Orten. Obwohl manche Personen, besonders einige ältere Frauen, bei der jeweils anderen Seite aufgrund ihres heiligmüßigen Lebens große Anerkennung genossen, schien es völlig ausgeschlossen, gemeinsam Gottesdienst zu feiern.

 

 

Wo er auch hinkam, bot sich ihm das gleiche traurige Bild der getrennten Christen, und der Wunsch, der so wichtigen Versöhnung gerade auch in diesem Bereich zu dienen, nahm immer konkretere Formen an. Der Zweite Weltkrieg hatte sicherlich eine seiner Wurzeln  in der jahrhundertelangen Glaubensspaltung und im Bewusstsein dieser Tatsache übersiedelte Frère Roger mitten im Krieg nach Taizé, um dort eine Gemeinschaft von Brüdern zu gründen, die durch ihr Leben ein wirksames Zeichen der Versöhnung sein sollten.

 

Die ersten Jahre der Communauté, die sich dort ab 1944 langsam zu entwickeln begann, waren vor allem von großer materieller Armut geprägt. Als Ende der fünfziger Jahre die ersten Jugendlichen kamen, stellte dies eine neue Herausforderung für die Brüder dar, denn auf einen wachsenden Strom von Besuchern waren sie nicht eingestellt gewesen.

 

Als schließlich Tausende Jugendliche das ganze Jahr über den Hügel in Burgund bevölkerten und auch die ersten katholischen Brüder aufgenommen werden sollten, mehrten sich sowohl die Befürworter als auch die Kritiker. Viele evangelische Kirchenverantwortliche befürchteten, dass die katholische Kirche über die Hintertüre in den protestantischen Bereich eindringen wolle, denn Frère Roger versuchte in vielen Fragen eine ausgleichende Position einzunehmen.

 

Andere wiederum empfahlen ihm, doch gleich eine eigene Kirche zu gründen, was für ihn im Blick auf die Reformation, deren ebensolche, folgenreiche Entscheidung ihm ständig schmerzlich bewusst war, überhaupt nicht in Betracht kam.

 

Die katholische Kirche wiederum kam den Brüdern im Anfang nur äußerst zaghaft entgegen, und erst unter Papst Johannes XXIII. fanden sie dort Anerkennung und Unterstützung.

 

Die Vorwürfe mancher Protestanten, dass Taizé „zu katholisch“ sei, sind geblieben und die völlig unberechtigte Erwartung mancher Katholiken, dass man in Taizé „reiche Beute“ machen würde, haben sich natürlich auch nicht erfüllt.

Den Freunden der Häresie hat die Communauté schließlich ebenso wenig Freude bereiten können, der Einheit der einen Kirche Jesu Christi jedoch in den fast fünfzig Jahren ihres Bestehens unschätzbare Dienste erwiesen.

 

 

„Meine Großmutter stammte aus einer urevangelischen Familie. Sie tat einen inneren, unmittelbaren Schritt der Versöhnung, sie begann in die katholische Kirche zu gehen.

Beide Anliegen dieser alten Frau haben mein ganzes Leben geprägt.

Meine Großmutter riskierte etwas für die misshandelten Menschen der damaligen Zeit.

Und sie versöhnte - um des Friedens in Europa willen - in sich selbst die Glaubensströmung ihres evangelischen Ursprungs mit dem Glauben der katholischen Kirche, ohne dass dies ihrer Familie als Ableugnung erschien.

Damit fand sie intuitiv wie einen Schlüssel zur ökumenischen Berufung.“ [186]

 

„Finde dich niemals ab mit dem Skandal der Trennung unter den Christen, die sich alle so leicht zur Nächstenliebe bekennen..., aber zerspalten bleiben.

Habe die Leidenschaft für die Einheit des Leibes Christi.“ [187]

 

„Allein die Eucharistie, Mittel und Vollendung der Einheit zugleich, vermag uns die übernatürliche Kraft und die Fähigkeit zu geben, auf Erden die Einheit unter uns Getauften zu verwirklichen.

Hier liegt existenzielle Wahrheit vor. Die Eucharistie ist uns als das Sakrament der Einheit angeboten, damit sich in uns und um uns alle Fermente der Spaltung auflösen.

In ihr werden diejenigen miteinander verbunden, die sich aus Unkenntnis verachteten.“ [188]

 

 

  

Mutter Teresa und Frère Roger:

 „Wir sind beide von den Notleidenden der modernen Welt herausgefordert. Konfrontiert mit allem, was die Menschheit verwundet, finden wir die Trennung zwischen Christen unerträglich. Sind wir bereit, das Trennende beiseite zu legen, uns von unserer gegenseitigen Angst zu befreien? Wenn die Meinungen der Menschen auseinander gehen, warum muss man unbedingt herausfinden, wer recht hat und wer unrecht?“  [189]

 

 

 

 

3. Papst

 

 

Mutter Teresa:

 

Für Mutter Teresa drückte sich ihre unbedingte Treue zur katholischen Kirche in einer erstaunlichen Treue zu deren obersten Vertreter aus. Das Amt des Papstes betrachtete sie als von Christus zum Dienst an der Einheit der universalen Kirche eingesetzt, und so versuchte sie mit ganzer Kraft die jeweiligen Amtsträger zu unterstützen.

 

Pius XII. ermöglichte ihr 1948 den Austritt aus ihrem bisherigen Orden und ebnete so den Weg zu dem bis dahin kaum bekannten Experiment einer Arbeit mitten in den Slums, ohne den Schutz eines starken Ordens.

 

Mit Johannes XXIII. verband sie ihre Hochschätzung des Konzils und der damit verbundenen Neuerungen in der katholischen Kirche.

Mit Beginn des Pontifikats Paul VI. hatte sie schon internationale Bekanntheit erreicht und blieb diesem Papst zeit seines Lebens sehr verbunden.

 

Über Kontakte zu Johannes Paul I. schweigen die Biographien, dafür war ihre Verbindung mit Johannes Paul II. umso intensiver. Der Papst empfing sie regelmäßig und unterstützte ihre Anliegen nach besten Kräften.    

Im Mai 1987 wurde eine Bekanntmachung des Vatikans veröffentlicht, die sicher eine besondere persönliche Befriedigung für Mutter Teresa darstellte. In einem radikalen und historischen Schritt gab Johannes Paul II. den Auftrag für die Errichtung einer Unterkunft für einen Teil der etwa fünftausend Obdachlosen in Rom.

Der Papst hatte die Menschen gesehen, die unter den Brücken und vor den Geschäften und Büros nahe der Vatikanstadt schliefen, und zweifellos hatte ihre Notlage ihn betroffen gemacht.

Es gab aber viele, die davon überzeugt waren, dass Mutter Teresa den Samen für diese Idee gelegt hatte. Der Papst übertrug ihr nun die Leitung der vom Vatikan als „Hospiz“ bezeichneten Institution.

 

 

  

Frère Roger:

 

Frère Roger hat gerade in der heiklen Frage des Papstamtes viel Weisheit und Mut bewiesen und an diesem Brennpunkt der sichtbaren Einheit der Christen neue Perspektiven eröffnet.

 

Sein persönlicher Kontakt zu den Päpsten begann ebenfalls mit Pius XII., der dem Experiment einer evangelischen Mönchsgemeinschaft und ihrer ökumenischen Ausrichtung sehr skeptisch gegenüberstand.

Auf Vermittlung von Kardinal Gerlier, einem der wichtigsten katholischen Förderer der Communauté, kam es sogar zu einer vorerst geheim gehaltenen Begegnung mit dem Papst, in deren Verlauf Frère Roger ihn vor allem bat, in Fragen der Ökumene die Tür nicht völlig zu schließen.

Von Seiten einiger Evangelischer trug die bloße Tatsache dieses Gesprächs dem Prior von Taizé damals noch heftige Kritik ein.

 

Die große Wende kam auch für die Communauté mit der Amtsübernahme durch Johannes XXIII. Wiederum gelang es Kardinal Gerlier, ein Gespräch zu ermöglichen, diesmal sogar unmittelbar nach der Ernennung des neuen Papstes.

 

Die Bedeutung von Johannes XXIII. für die Ökumene und insbesondere die Gemeinschaft von Taizé kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden, und Frère Roger selbst nannte ihn einmal in großer Dankbarkeit den geistlichen Vater der Communauté.

Der Papst lud Frère Roger und Frère Max dazu ein, als Beobachter beim Zweiten Vatikanischen Konzil teilzunehmen, und die beiden waren bei allen Plenarsitzungen anwesend. Während der Sitzungsperioden hießen sie mittags und abends Bischöfe in ihrer kleinen Unterkunft im Herzen von Rom willkommen. Auf diese Weise entstanden viele Freundschaften, unter anderem mit den deutschsprachigen Kardinälen Augustin Bea, Julius Döpfner und Franz König, die auf dem Konzil eine wichtige Rolle spielten, sowie den lateinamerikanischen Bischöfen Silva, Fragoso, Larrain und Helder Camara.

Bis zu seinem Tod wuchs eine immer intensivere Beziehung zu Johannes XXIII., und der Papst vererbte dem Prior einen seiner persönlichsten Gegenstände, sein Gebetbuch.

 

Paul VI. führte den von seinem Vorgänger eingeschlagenen Weg fort und stand in regelmäßigem persönlichen Austausch mit Frère Roger. Insbesondere dessen Begabung, die Jugend anzusprechen, faszinierte den Papst, und er erwies dem Prior auf vielerlei Weise seine Freundschaft und Wertschätzung.

 

Über Kontakte zu Johannes Paul I. ist nichts bekannt, doch auch mit Johannes Paul II. verbindet Frère Roger ein sehr freundschaftliches Verhältnis, das sich insbesondere in regelmäßigen persönlichen Gesprächen ausdrückt.

Die beiden hatten sich kennen gelernt, als der schon damals sehr mutige Erzbischof von Krakau in den siebziger Jahren eine jährliche Wallfahrt der Bergarbeiter organisierte, zu der er mitten in der Zeit des Kommunismus jeweils eine bekannte christliche Persönlichkeit aus dem Westen einlud. Frère Roger wohnte damals drei Tage lang im Haus des Kardinals.

 

Am 5. Oktober 1986 kam der Papst schließlich sogar selbst nach Taizé und drückte damit auf eindrucksvolle Weise seine Anerkennung der dort lebenden Gemeinschaft und ihres weltweiten Dienstes für die Versöhnung aus.

 

Frère Roger war sich natürlich stets der besonderen Brisanz einer Aussage über das Papstamt bewusst und doch wagte er diesen Schritt, in der Überzeugung, dass die Christen auf ihrem so notwendigen Weg zur Einheit an der Lösung dieser Frage nicht vorbeikommen werden.

Seine Argumente sind von einer schlichten Überzeugungskraft und Klarheit und zeugen davon, wie sehr er selbst mit diesem Thema gerungen haben muss.   

 

 

„Kann die Einheit aller Christen wiederhergestellt werden ohne in sichtbares Zentrum, ohne einen Hirten für alle?

Gewiss ist das Amt des Dieners der Diener Gottes mit einem ungeheuren historischen Gewicht belastet. Die im Laufe der Jahrhunderte immer wieder übergeworfenen Gewänder lassen dieses einzigartige Amt schlecht durchscheinen.

Aber wenn wir nicht an dieses Amt glauben, wer wird dann in unserem Namen zur gesamten Menschheit sprechen, wenn dramatische Entwicklungen und Situationen dies erfordern?

Wer wird dann ein lebendiges, für das ganze Gottesvolk gültiges Wort Christi für uns heute in die Gegenwart sprechen?“ [190]

 

„Wenn jede Ortsgemeinde einen Hirten braucht, um die Gemeinschaft unter denen zu fördern, die stets dazu neigen, ihre eigenen Wege zu gehen, wie können wir auf eine sichtbare Gemeinschaft aller Christen auf der Erde hoffen, wenn es keinen Hirten für alle gibt?

Nicht an der Spitze einer Pyramide, nicht als Haupt (das Haupt der Kirche ist Christus),

sondern in der Mitte.“ [191]

 

 

 

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