VI. DIE SAKRAMENTE
1. Taufe
Mutter Teresa:
Gerade bei den Sakramenten kam Mutter Teresas großes Gefühl für das Wesentliche und ihre tiefe Verbundenheit mit der Kirche sehr schön zum Ausdruck.
Wiederum fernab jeglicher allzu nüchterner Theorie sah sie die Sakramente als einzigartige Form der persönlichen Begegnung mit dem lebendigen Gott, die uns durch sein Kommen in die Welt in Jesus Christus, durch Tod und Auferstehung des Erlösers, geschenkt worden sind und im Heiligen Geist erkannt werden können.
Sie sind und bleiben Geheimnisse, in denen der ganz Geheimnisvolle uns in seine Nähe ruft und das unwiderruflich begonnene Heilswerk vollendet.
Dieser natürliche Zugang zu den realen Zeichen der Zuwendung Gottes in dieser Welt war der Ausdruck ihres gotteskindlichen Vertrauens in sein liebevolles Wirken an jedem einzelnen.
Die Gegenwart des auferstandenen Herrn war für Mutter Teresa eine tiefe Gewissheit, und gerade die vielen leidenden Menschen, denen sie half, waren für sie gleichzeitig Zeichen und Wirklichkeit des leidenden Jesus.
Nie sprach sie von ihnen ausdrücklich als einem Sakrament, denn gewagte und missverständliche Formulierungen vermied sie in aller Schlichtheit, doch ihre tiefsinnigen Worte über die Verbindung des Lebens Jesu mit dem aller Menschen können wohl auch so verstanden werden.
Im Zusammenhang mit der Taufe als dem ersten und das ganze christliche Leben begründenden Sakrament kann an das bisher Gesagte angeschlossen und einige Aspekte noch vertieft werden.
Mutter Teresa hielt wie selbstverständlich an der überlieferten Lehre der Kirche fest, aber ihre zeitgemäßen Ansichten in zwei besonders aktuellen Fragen sind darum nur umso bemerkenswerter:
Die Taufe ist nach Lehre der Kirche die Aufnahme in die Gemeinschaft der Gläubigen und zum Heil des Menschen notwendig. Die Zahl der Ungetauften geht aber gerade heute in die Milliarden und ist stetig im Steigen begriffen. Wie haben sich die Christen angesichts dieser Tatsachen nun zu verhalten?
Mutter Teresa wurde mit eben dieser Frage schon lange vor dem Zeitpunkt unmittelbar berührt, zu dem sich das Zweite Vatikanische Konzil mit ihr zu beschäftigen hatte.
In den Sterbehäusern ihres Ordens starben die Menschen zum größten Teil ungetauft und gerade manche Vertreter der anderen Religionen wollten dies nicht glauben, sondern beschuldigten Mutter Teresa, die hilflosen Menschen nur deswegen zu pflegen, um sie mit Zwang bekehren zu können.
Sie dagegen bemühte sich ganz besonders, diese Vorwürfe durch ein heiligmüßiges Leben zu entkräften und damit freie Hand für eine behutsame Begleitung der Sterbenden zu haben.
Niemals sollte im Wirkungsbereich ihres Ordens ein Mensch zur Taufe genötigt werden, weil der jedem Menschen von Gott geschenkte freie Wille unbedingt respektiert werden musste. Andererseits erhielten die Schwestern eine Sondererlaubnis des Erzbischofs von Kalkutta für die Nottaufe, da doch regelmäßig Sterbende die Taufe wünschten, und diesem Wunsch natürlich entsprochen werden sollte.
Eine weitere aktuelle Frage ist die Taufe von Kindern aus der Kirche fern stehenden Familien. Pater Benedict Groeschel aus New York[122] befragte sie dazu in einem besonders krassen Fall:
Der Vater des Kindes führte ein zwielichtiges Leben, die Mutter war ungetauft und hatte höchstens Sympathien für die Christen, was immerhin eindeutig feststand.
Zur Kirche gingen sie nie, und doch wollten sie ihr Kind unbedingt taufen lassen.
Mutter Teresa riet Pater Groeschel: „Wer bist du, dass du verhindern willst, dass dieses Kind ein Kind Gottes wird? Und wenn sein Vater wirklich ein so schlechter Mensch ist, dann ist Gott selbst sein wirklicher Vater.
Und der geht jeden Tag in die Kirche.“
Frère Roger:
Ebenso wie Mutter Teresa beschränkt sich Frère Roger zum weiten Thema der Sakramente auf eindeutige und verständliche Aussagen. In seiner großen Ehrfurcht vor dem undurchdringlichen Geheimnis Gottes versteht er es meisterhaft, eine diesem Geheimnis angemessene, behutsame Sprache zu wählen, und dadurch neue Zugänge zu eröffnen.
Von seinem protestantischen Hintergrund her war ihm natürlich die Kirchentrennende Kraft der unterschiedlichen Lehrmeinungen zu den Sakramenten immer bewusst, und auch die Tatsache, dass Versöhnung hier als ein besonderes Gebot der Stunde zu gelten habe. Wichtiger als die sicher berechtigten vernunftgeleiteten Überlegungen ist ein für allemal die dahinter stehende Wirklichkeit des gegenwärtigen auferstandenen Herrn und sein aktuelles Handeln an den Menschen.
Frère Roger erwähnt auf versöhnliche Art und Weise mit großer Beharrlichkeit auch die Schönheit der unterschiedlichen Ausprägungen der einzelnen Kirchen.
Anzustreben sei jedoch eine größere Einheit in der bunten Vielfalt und das gegenseitige Bemühen, im geschwisterlichen Gespräch die trennenden Gegensätze zu überwinden.
Nirgends findet man in seinen Schriften Überlegungen über die so oft missbrauchte Frage der Gültigkeit der Sakramente, denn Frère Roger geht es vielmehr darum, die den Kirchen gemeinsam anvertrauten Geheimnisse in ihrer eigentlichen Mitte zu beschreiben.
Der Auftrag des Herrn ist so gewaltig, dass dafür die gemeinsamen Kräfte aller Christen erforderlich sind.
In Taizé hat man von Anbeginn an sehr sorgfältig darauf geachtet, die trennenden Unterschiede der Konfessionen zu achten und sie damit interessanterweise in ihrer ganzen Schmerzlichkeit bewusst gemacht. Vor allem die Eucharistie als das Sakrament der Gemeinschaft mit Gott und der Menschen untereinander ist ein eindeutiges Beispiel, dass die volle communio der Getauften noch nicht erreicht ist.
Diese ihre Taufe, die das gemeinsame Fundament aller Christen ist, wird von Frère Roger natürlich überaus hoch geschätzt. Als ein Mensch, der mit seinem ganzen Leben dafür einsteht, was es bedeutet, getauft zu sein, und dadurch große Bedeutung für das Christentum der Gegenwart erlangt hat, steht auch er vor den aktuellen Fragen, die die Taufe betreffen.
Es ist ein Hinweis auf die gemeinsame Tiefe des Glaubens von Mutter Teresa und Frère Roger, dass ihr Verhalten in den schon oben genannten Fragen auffällige Übereinstimmungen zeigt.
Auch der Prior von Taizé hat sich schon sehr früh mit der Tatsache beschäftigt, dass ein großer Teil der gegenwärtigen Menschheit ihren Erlöser augenscheinlich noch nicht angenommen hat.
Trotz dieses vermeintlichen Widerspruchs bleibt für ihn die einzigartige und universale Heilsbedeutung Jesu für jeden einzelnen voll gewahrt.
Allen hat sich der Erlöser anvertraut und wartet auf sie in der unermesslichen Tiefe ihres Herzens, auch und gerade dann, wenn sie davon nichts wissen.
Taizé war und ist ein Ort, wo Menschen aller Religionen willkommen sind, denn die Quellen des Glaubens an den Heiland der Welt sollen allen, die ihn suchen, offen stehen.
2. Eucharistie
Mutter Teresa:
Die Mitte aller Sakramente, die Eucharistie, war für Mutter Teresa die Mitte ihres Lebens.
Sie lebte in so starker Hingabe an Jesus, dass dieses reale Zeichen seiner Hingabe an die Menschen ihre besondere Liebe fand.
Die Quelle und den Höhepunkt des christlichen Lebens bildete für sie die Teilnahme am Mahl des Herrn als Vorausnahme des himmlischen Hochzeitsmahls.
Auch die einzigartige Bedeutung der Eucharistiefeier wurde Mutter Teresa schon in frühen Jahren durch ihre Mutter nahe gebracht, die mit ihr regelmäßig den Gottesdienst besuchte.
Zeit ihres Lebens wuchs dann die Liebe zu dem und das Verständnis für das unerschöpfliche Geheimnis, welches Jesus durch sein Sterben und Auferstehen als göttliche Medizin der menschlichen Schwächen eingesetzt hat.
Gerade ihre Aussprüche über die Eucharistie lassen erahnen, wie tief ihr einfaches Verstehen für die Gegenwart des auferstandenen Herrn war, die sich in diesem Sakrament auf einzigartige Weise verwirklicht.
Schon ihre Jahre im Orden der Loretoschwestern waren geprägt von der täglichen Teilnahme am Herrenmahl und trugen das Leben der Gemeinschaft. Der Zusammenhang des Gedächtnisses des leidenden Erlösers mit der so sehr der Erlösung aus ihrer Not bedürftigen Menschen war in der Schule für reiche indische Kinder in Kalkutta aber natürlich weniger offensichtlich.
Die allseits beliebte Leiterin des Mädchenpensionates spürte immer mehr, dass diese Form Jesus zu dienen nicht ihrer eigentlichen Berufung entsprach. Diesen Jesus, den sie so wunderbar in den Gestalten von Brot und Wein und in ihren geliebten Schülerinnen erkennen durfte, wollte sie nun besonders in den Armen, denen schon zeit seines irdischen Lebens seine besondere Zuwendung galt, suchen und finden.
Dass sie für dieses Vorhaben der täglichen Stärkung und Erleuchtung durch ihn selbst im vertrauten Sakrament der Eucharistie bedurfte, war für Mutter Teresa selbstverständlich, und ihr Orden war von Anfang an um die Mitte der Feier des Herrenmahls aufgebaut.
Es bedurfte einiger Zeit, um einen Priester zu finden, der täglich die Heilige Messe mit den Schwestern feiern konnte, doch schließlich erklärte sich ein belgischer Jesuit namens Pater Henry dazu bereit. Das Fundament war nunmehr gelegt, und das segensreiche Tun der späteren Missionarinnen der Nächstenliebe konnte beginnen.
Mutter Teresa hatte also auch hier intuitiv das Prinzip von Bewahren und Voranschreiten verwirklicht. Der Schatz des größten aller Sakramente wurde sorgsam gehütet und gleichzeitig durch die entschlossene Umsetzung in die Welt hinein noch vermehrt.
Die Schwestern empfingen den Leib Christi in der täglichen Morgenmesse und berührten eben diesen Leib in den Armen und Kranken, denen sie den Tag über dienten.
Am Abend wiederum begegneten sie bei der Anbetung dem Auferstandenen in seiner fortwährenden Anwesenheit im himmlischen Brot.
Diese andauernde Präsenz Jesu im Tabernakel war für Mutter Teresa von großer Bedeutung.
Einen Priester, der den Schwestern bei einem Vortrag erklären wollte, dass diese Gegenwart nur für die Dauer der Heiligen Messe gegeben und ansonsten zu vernachlässigen sei, bat sie mit freundlichen Worten, nicht mehr wiederzukommen, und erklärte ihren Schwestern danach noch einmal ihre eigene Überzeugung.
„Das ist das Wunder all dieser kleinen Schwestern überall in der Welt. Gott benutzt sie - sie sind kleine Werkzeuge in seiner Hand...Darum steht diese Überzeugung für uns am Anfang; darum brauchen wir die Eucharistie, brauchen wir Jesus - um unsern Glauben zu vertiefen. Wenn wir Jesus in der Gestalt des Brotes sehen können, können wir ihn in den geschundenen Leibern der Armen sehen. Darum brauchen wir das Einssein mit Christus, brauchen wir den tiefen Glauben an Christus.
Es ist sehr schön. Wenn wir diese sich vertiefende Verbindung mit Christus besitzen und ihn voll annehmen, können wir die geschundenen Leiber der Armen berühren. Man findet Kraft und Nahrung in der Eucharistie, und wenn man gestärkt ist, will man diese Kraft nutzen, sie ausgeben. Darum sehen Sie die Schwestern rennen, sie gehen niemals. Man nennt uns die rennende Kongregation.“ [123]
„Wo wird euch die Freude der Liebe zuteil ? In der Eucharistie, in der heiligen Kommunion. Jesus hat sich zum Brot des Lebens gemacht, um uns das Leben zu geben. Bei Tag und bei Nacht ist er da. Wenn ihr wirklich in der Liebe wachsen wollt, dann geht zur Eucharistie, haltet Anbetung.
In unserer Kongregation hielten wir früher wöchentlich eine Stunde Anbetung;
1973 beschlossen wir, jeden Tag eine Stunde Anbetung zu halten. Wir haben viel Arbeit. Unsere Häuser für die Armen, Kranken und Sterbenden sind überall voll.
Seit wir jeden Tag Anbetung halten, ist unsere Liebe zu Jesus inniger geworden, unsere Liebe zu den Armen mitfühlender, und die Zahl der Berufungen hat sich verdoppelt.“ [124]
„Die heilige Kommunion ist, wie das Wort sagt, innigste Vereinigung von Jesus mit unserer Seele und unserem Leib...Die Heiligen haben das verstanden; sie verbrachten oft Stunden damit, sich auf die Kommunion vorzubereiten, und noch längere Zeit mit der Danksagung.
Dies bedarf keiner Erklärung, denn wer kann ,die Tiefe des Reichtums, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes’ (Röm 11,33) ermessen ?“ [125]
Frère Roger:
Die Eucharistie ist in der Spiritualität Frère Rogers von außergewöhnlich großer Bedeutung.
Als ein immer wiederkehrendes Thema begegnet sie in seinen Schriften dem aufmerksamen Leser, und der Prior von Taizé versteht es in seiner behutsamen Art ganz ausgezeichnet, wegweisende Aussagen zum Sakrament der Gemeinschaft zu treffen.
Aus einer protestantischen Umgebung stammend hatte er in seinen Jugendjahren natürlich einen anderen Zugang zur Eucharistie als Mutter Teresa. Die sehr stark vom Wort Gottes geprägte reformierte Kirche hat ein, aus ihrer historischen Kritik an den Missständen einer bestimmten Zeit heraus gewachsenes, sehr ambivalentes Verhältnis zum Sakrament der Eucharistie.
Über allfällige Gespräche zu diesem Thema in der schweizerischen Pastorenfamilie ist in Frère Rogers Büchern nichts zu lesen. Das Beispiel seiner geliebten und verehrten Großmutter hat ihn aber zweifelsohne schon sehr früh beeindruckt, und diese tiefgläubige Frau besuchte als Protestantin regelmäßig die Gottesdienste in einer katholischen Kirche und empfing dort die Kommunion.
Nach seiner Ordination zum evangelischen Pastor leitete Frère Roger natürlich auch die Abendmahlsfeier, obwohl er darüber kaum berichtet. In der Anfangszeit der Communauté dürfte diese Frage aufgrund ihrer rein evangelischen Zusammensetzung keine besonders große Rolle gespielt haben, was sich aber aufgrund der wachsenden ökumenischen Ausrichtung schon bald änderte.
Schließlich hörte Frère Roger ausdrücklich auf, der Abendmahlsfeier vorzustehen und verstand diesen Schritt als Zeichen des Protests gegen den Skandal der getrennten Christenheit. Bis zum heutigen Tag ist er dieser Entscheidung treu geblieben, und die Frage hat mittlerweile an Bedeutung verloren.
Eine im ökumenischen Bereich nahezu einmalige Entwicklung nahm dann ihren Lauf.
Der Communauté, die überwiegend aus evangelischen Brüdern der verschiedensten Kirchen besteht, wurde von Papst Paul VI. Anfang der Siebziger Jahre erlaubt, täglich in der katholischen Heiligen Messe die Eucharistie zu empfangen. Damit war dem Wunsch der Gemeinschaft entsprochen worden und ihre eindeutige Entscheidung in eine klar erkennbare Richtung gefallen.
Gegenwärtig wird die Eucharistiefeier jeden Morgen in der Krypta der Versöhnungskirche begangen und von allen anwesenden Brüdern mitgefeiert.
Für den friedlichen Vorkämpfer der Einheit und Gemeinschaft aller Christen ist die Eucharistie als Sakrament der Gemeinschaft Gottes mit den Menschen und der Menschen untereinander natürlich von zentraler Bedeutung geblieben.
Der Weg zur Versöhnung der Kirchen führt zweifelsohne über dieses einzigartige Zeichen der communio, und jegliches Weiterkommen in dieser Frage ist ein Weiterkommen in der Ökumene als ganzer.
Oftmals richtet Frère Roger in seinen Schriften an die katholische Kirche die eindringliche Bitte, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um möglichst vielen Christen den Zugang zum Tisch des Herrn zu ermöglichen. Sein Bemühen kommt aus dem Verständnis des unermesslichen Wertes der Eucharistie für das Heil der Menschen in all seinen Dimensionen.
Häufig nennt er sie die anbetungswürdige Gegenwart des Auferstandenen mitten unter uns, und beschreibt damit in menschlichen Worten das innerste Wesen dieses göttlichen Geheimnisses.
Frère Roger hat es auch hier verstanden, das anvertraute Glaubensgut getreu zu bewahren und in unsere Zeit zu übersetzen.
In Taizé stellte sich sehr bald die Frage nach dem Ablauf der Messfeier angesichts der Gläubigen aus vielen verschiedenen Konfessionen. Für alle, die die Kommunion nicht empfangen können griff man auf eine alte Tradition aus der orthodoxen Kirche zurück. Dort wurde seit jeher an diejenigen, die aus irgendeinem Grund am Gottesdienst nicht teilnehmen konnten, gesegnetes Brot ausgeteilt. Auf diese Weise werden die noch bestehenden Unterschiede trotz ihrer Schmerzlichkeit respektiert, aber eine größtmögliche Einbindung aller Gläubigen verwirklicht.
„Die katholische Kirche ist zuallererst die Kirche der Eucharistie. Darin liegt ihre besondere Gabe. Natürlich ist auch sie die Kirche des Wortes, aber sie hat die Eucharistie als Ort der Einmütigkeit im Glauben aufrechterhalten.
Wie ein unterirdischer Fluss zieht sich die Eucharistie durch ihre ganze Geschichte. Die unveränderliche Gegenwart Christi in der Eucharistie empfangen wir bis zum Ende unseres Lebens im Geist der Kindschaft.
Deshalb war die Einführung der Frühkommunion durch Papst Pius X. zu Beginn unseres Jahrhunderts eine außergewöhnliche Eingebung.“ [126]
„Christus schenkt sich in der Eucharistie. Sie ist anbetungswürdige Gegenwart für dich, der du schwach und gebrechlich bist. Sie wird im Geist der Armut und der Umkehr des Herzens empfangen, mit einer kindlichen Seele, bis zum Abend des Lebens.“ [127]
„In langen Zeiten inneren Schweigens, in denen sich scheinbar nichts ereignet, haben viele von der Eucharistie gelebt, daraus Lebensentscheidungen gefällt und sich immer wieder neu aufgemacht, Christus unter den Menschen zu leben.
Sie ließen sich bis ins Innerste ihres Wesens ergreifen, bis in den Bereich des Unterbewusstseins, wie wir heute sagen.
Selbst wenn man im Innersten nichts davon spürt: In der Eucharistie verwirklicht sich das Wort Christi ,Mein Reich ist mitten unter euch’. Dies gilt sogar für die, die es kaum zu hoffen wagen.
Die Eucharistie steht denen bereit, die nach Christus hungern.“ [128]
3. Beichte
Mutter Teresa:
Gerade aufgrund ihrer großen Zuneigung zu den leidenden Menschen in dieser Welt hatte Mutter Teresa ein besonderes Feingefühl für die Sündhaftigkeit des Menschen.
Sie, die jedem Gesprächspartner aufgrund ihrer großen Aufmerksamkeit das Gefühl vermitteln konnte, für diesen Moment die einzig wichtige Person auf dieser Erde zu sein, wies beharrlich auf die unausweichliche Aufgabe jedes Einzelnen hin, seine Schuld vor Gott zu bekennen und sich seiner liebevollen Versöhnung, die er uns durch den Tod und die Auferstehung Jesu Christi unwiderruflich angeboten hat, ganz anzuvertrauen.
Eben weil jeder Mensch von Gott erschaffen wurde, ist er in seinen Augen unendlich kostbar und wird von ihm trotz aller Fehler geliebt. Die Antwort des Menschen auf die Einladung Gottes zu einem glückseligen Leben soll aber in voller Freiheit geschehen und ebenso die Annahme seines Verzeihens.
Zwei extreme Haltungen, in denen viele gefangen sind, versuchte Mutter Teresa mit viel Liebe zu heilen.
Denjenigen, die unter der Last ihrer Schuld zusammenbrechen, und sich von Gott aufgrund ihrer Vergehen verlassen glauben, verkündigte sie in Tat und Wort die Frohe Botschaft von der Vergebung aller Sünden aufgrund des Opfers Jesu am Kreuz auf Golgotha.
Denjenigen wiederum, die ihre eigenen Schuld leugneten und die Vergebung durch Gott daher für überflüssig hielten, rief sie ihre wirkliche Verfasstheit ins Gedächtnis und ermutigte sie, der Wahrheit ins Auge sehend ihre Schuld zu bekennen.
Mutter Teresa sprach von sich selbst immer nur als einem unwürdigen Werkzeug des barmherzigen Gottes. Die Tatsache des tiefen Erkennens der eigenen Unzulänglichkeit ist aber in christlicher Tradition auch ein Hinweis auf die Heiligmäßigkeit eines Menschen, wie unzählige Beispiele aus der Geschichte belegen, denn je näher das vernunftbegabte Geschöpf seinem Schöpfer kommen darf, umso mehr darf es auch seine Kleinheit und Schwachheit erkennen, und sich ganz der liebenden Stärke des allein Allmächtigen anvertrauen.
Im Sakrament der Beichte kam für Mutter Teresa nun diese beglückende Tatsache in einzigartiger Weise zum Vorschein. Der Priester darf im Namen dessen die Vergebung der Sünden aussprechen, der sie selbst für uns erwirkt hat und uns von der Last der Schuld befreien will.
Wie viel das segensreiche Wirken der Schwestern dazu beitragen konnte, dass die Menschen das konkrete Geschenk der Versöhnung in der Beichte auch tatsächlich annahmen, kann die folgende Geschichte verdeutlichen:
Eines Tages fanden die Schwestern einen Mann, der sich, von allen verlassen, in sein Zimmer eingeschlossen hatte.
Sie gingen in dieses Zimmer hinein, badeten ihn, reinigten den Raum und machten seine Wäsche zurecht. Während der ganzen Zeit sprach er kein Wort mit ihnen.
Erst nach zwei Tagen sagte er zu den Schwestern: „Ihr habt Gott in mein Leben gebracht. Nun ruft den Priester.“ Sie holten einen Priester, und der Mann beichtete zum ersten Mal nach sechzig Jahren.
Am nächsten Morgen starb er. [129]
Mutter Teresa bemühte sich auch sehr, dass ihre Schwestern genügend Gelegenheit zur Beichte hatten. Sie selbst hatte seit 1944 den belgischen Jesuiten Pater Céleste von Exem als ihren persönlichen Beichtvater und geistlichen Berater und schöpfte aus dem Sakrament der Versöhnung große Kraft.
„Wir können nicht auf die Beichte verzichten. Die Beichte ist nichts anderes als praktizierte Demut. Wir nennen sie Bußsakrament, doch in Wahrheit ist es ein Sakrament der Liebe, ein Sakrament der Vergebung. Deshalb sollte die Beichte nicht der Ort für lange Gespräche über unsere Schwierigkeiten sein. Sie ist der Ort, wo ich Jesus die Möglichkeit gebe, alles Trennende und Zerstörerische von mir zu nehmen.“ [130]
„Das Bußsakrament ist ein Akt vollkommener Liebe zu Gott, zu den Menschen und zum ganzen Universum. Sein Ziel ist die Versöhnung des Menschen mit Gott, der Menschen untereinander und mit Gottes Schöpfung. Alles, was durch die Sünde zerbrochen ist, wird zurückgeführt zur Einheit in Jesus, mit Jesus und durch Jesus.
Buße ist für uns eine ersehnte Gelegenheit, eins zu werden mit dem gekreuzigten Christus.“ [131]
„Ohne Selbsterkenntnis kann man nicht beichten. Einige Heilige haben sich als schlimme Verbrecher bezeichnet, denn sie sahen Gott, sie sahen sich selbst - und sie sahen den Unterschied.“ [132]
Frère Roger:
Frère Roger hat einen sehr unbefangenen Zugang zur Beichte und bezeichnet sie wie selbstverständlich als Sakrament. Diese für einen Protestanten doch ungewöhnliche Haltung entspricht sehr seiner Berufung als Vermittler zwischen den Konfessionen.
Martin Luther hatte die Beichte sowohl in ihren negativen Ausformungen als auch in ihrer segensreichen Kraft erfahren.
Besonders das peinlich genaue Bekennen aller nur irgendwie denkbaren Vergehen, das zur damaligen Zeit streng gefordert wurde, brachte den sehr gewissenhaften Augustinermönch in schwere innere Konflikte. Die von vielen Beichtvätern vorausgesetzte Erkenntnisfähigkeit der eigenen Fehler und Schwächen überstieg meist bei weitem die natürlichen Voraussetzungen der Gläubigen.
Besonders aber versetzten die angedrohten Folgen des Nichtbekennens einzelner Sünden Martin Luther ebenso wie viele seiner Zeitgenossen in große Furcht.
Andererseits hatte er jedoch sehr oft die befreiende und stärkende Wirkung der Beichte erlebt und bekannte, dass er die in ihr geschenkte Kraft nicht missen wolle.
In der Frage, ob die Beichte ein Sakrament sei, kam er zu keinem abschließenden Urteil.
Zweifelhaft erschienen ihm die biblische Begründung und das Fehlen der materia, also des äußeren Zeichens, dafür sprach das von ihm selbst in der Beichte erfahrene Wirken der Gnade Gottes.
Frère Roger konnte also nur auf einem ambivalenten Verhältnis der Protestanten zur Beichte aufbauen und hat sie zu einem unaufdringlichen Bestandteil seiner Spiritualität gemacht.
In seinen Schriften trifft er einige Klarstellungen und hebt ansonsten besonders die liebevolle Zuneigung Gottes in diesem Zeichen der Vergebung und die dadurch jedem Christen eröffnete Chance zu Umkehr und Versöhnung hervor.
Er bemühte sich schon früh, den Brüdern der Communauté die Möglichkeit der Beichte bei Priestern aus der Umgebung zu eröffnen und ermutigte letztere, diesen ihren Dienst an den Menschen in großer Treue und Barmherzigkeit zu erfüllen.
Die Beichte ist für Frère Roger natürlich nicht die einzige Form des seelsorglichen Gesprächs, aber sie ist aufgrund ihrer einzigartigen Bedeutung von den anderen Formen zu unterscheiden.
In Taizé bleiben immer einige Brüder bis spät in die Nacht hinein in der Kirche der Versöhnung und stehen für Gespräche zur Verfügung. Zusätzlich werden Priester gebeten, sich für ein Gespräch bereitzuhalten und auf Wunsch hin das Sakrament der Versöhnung zu spenden.
„In der Beichte können wir so spontan wie möglich alles aussprechen, was unser Gewissen belastet. Niemand vermag seine ganze Schuld zu bekennen. Aber es ist schon ungeheuer viel, wenn man ausspricht, was einem gerade bewusst ist, um das unvorstellbare Verzeihen Gottes im Sakrament zu erlangen.“ [133]
„Die Offenheit gegenüber einem Bruder ist nicht mit der Beichte zu verwechseln.
Diese wird gegenüber dem Herrn des Himmels und der Erde in Gegenwart eines Menschen abgelegt, der dazu beauftragt ist.
Im Bereich der Seelsorge bedeutet die bloße Tatsache, dass man angehört wird, schon viel. Hier wie auch sonst gilt es, die Eindrücke zu verscheuchen und insbesondere das Gefühl, dass nichts geschähe.
Über eine Kontinuität von langer Dauer wird die Transparenz selbstverständlicher, vollzieht sich etwas im Innersten unseres Wesens.“ [134]
„So unbeholfen die Beichte auch sein mag, sie ist der entscheidende Ort, an dem man die Frische des Evangeliums neu erfährt, an dem man von neuem geboren wird.
Dort lernen wir, sogar die Gewissensbisse wegzublasen, wie ein Kind ein fallendes Herbstblatt fort bläst.
Dort finden wir das Glück Gottes, die Morgenröte der vollkommenen Freude.“ [135]
4. Ehe
Mutter Teresa:
Mutter Teresa erkannte die Ehe in ihrer ganzen Größe und maß ihr eine überragende Bedeutung für das glückliche Leben der Menschen bei.
Sie selbst hatte aufgrund des frühen Todes des Vaters nur kurze Zeit die Ehe ihrer Eltern erleben dürfen, aber diese wenigen Eindrücke waren durchaus positiv.
Ihr eigener Entschluss als Antwort auf den Ruf Gottes war die Ehe mit dem himmlischen Bräutigam, und der sichtbare Ausdruck dieser Beziehung waren der Schleier und der Professring, die sie seit dem 24. Mai 1937 ihr Leben lang mit Ausblick auf die Ewigkeit trug.
Gott hatte sie zum Dienst in Indien bestellt, einem Land, in dem die Frauen gerade in Fragen der Ehe krass benachteiligt sind. Die immens hohen Mitgiftzahlungen für ihre Töchter stürzen viele Familien in große finanzielle Bedrängnis, daher werden die jungen Mädchen meist als unerträgliche Last angesehen und dementsprechend behandelt.
So weit sie konnte, versuchte Mutter Teresa in dieser schwierigen Situation zu vermitteln.
Viele, der ihr von Geburt anvertrauten Mädchen konnte sie zumindest mit einem kleinen Vermögen ausstatten, und die Bräutigame drückten ihre besondere Liebe dadurch aus, dass sie ihre Geliebten trotz der verhältnismäßig minimalen Mitgift heirateten.
Mutter Teresa war bei vielen dieser Hochzeiten dabei und empfand große Freude, wenn eines ihrer Pflegekinder ihr Leben in die eigenen Hände nehmen konnte.
Die große Liebe der kleinen Nonne konnte jedoch selbst die fragwürdigen jahrhundertealten Traditionen manchmal ins Wanken bringen:
„Vor einigen Wochen kamen zwei junge Leute in unser Haus und gaben uns einen hohen Geldbetrag, damit wir Nahrung für die Armen kaufen könnten. Denn in Kalkutta haben wir viele, viele arme Menschen. ..Würden wir nicht für sie kochen, hätten sie vielleicht gar nichts zu essen.
Ich fragte die beiden jungen Leute: ,Wie kommt es, dass ihr so viel Geld habt ?’
Sie antworteten: ,Wir haben vor zwei Tagen geheiratet und hatten bereits vor der Hochzeit beschlossen, uns keine Hochzeitskleidung zu kaufen und kein großes Hochzeitsfest zu feiern, sondern das Geld Ihnen zu bringen, damit sie die Armen speisen können.’
Es war für mich etwas Wunderbares, dass Hindus aus einer hohen Kaste so etwas taten.
Sie lösten in Kalkutta einen Skandal aus.
Und dann fragte ich die beiden weiter: ,Aber warum habt ihr das getan?’
,Wir lieben einander so sehr, dass wir unser gemeinsames Leben damit beginnen wollen, andere zu lieben, indem wir ein Opfer bringen.’
Sie wussten, dass es ein großes Opfer war. Aber ihre Liebe zueinander war ebenso groß. Sie liebten andere Menschen so, wie sie selbst von Gott geliebt sind. Das ist etwas Wunderbares.
Es ist ein Abbild der Zärtlichkeit der Liebe Gottes.“ [136]
In den westlichen Ländern mit ihrem besonderen Druck auf die Ehe predigte sie beständig die Schönheit und die Herausforderung dieser engsten Weise des menschlichen Zusammenlebens und bemühte sich sehr, ihr Möglichstes zu tun, um die Partner zu stärken.
Prinzessin Diana traf mehrmals mit ihr zusammen, und Mutter Teresa ermutigte sie wiederholt, ihre für so viele Menschen bedeutsame Ehe weiterzuführen.
„Wahre Liebe tut weh. Sie muss immer weh tun. Es muss schmerzhaft sein, jemand zu lieben; schmerzhaft, ihn zu verlassen, man möchte für ihn sterben. Wenn Menschen heiraten, müssen sie alles aufgeben, um einander zu lieben.“ [137]
„Ein junges amerikanisches Paar sagte einmal zu mir: ,Sie wissen eine Menge über die Liebe. Sie müssen verheiratet sein.’
Und ich sagte: ,Ja, aber manchmal fällt es mir schwer, Ihm zuzulächeln.’“ [138]
Frère Roger:
Seine gesamte Kinder - und Jugendzeit durfte Frère Roger in einer Familie erleben, die auf das Fundament einer glücklichen Ehe gebaut war. Die sehr verantwortungsvolle Aufgabe seines Vaters wurde von seiner Mutter voll mitgetragen und ergänzt.
Natürlich bemerkte er ebenso die Prüfungen des Ehelebens, aber selbst diese konnten in Geduld und stiller Erwartung bestanden werden.
Auch in Frère Roger reifte der Entschluss zu einem Leben in der Nachfolge Jesu als Ordenschrist erst im Laufe der Jahre und in großem Respekt vor dem Geheimnis der Ehe. Seine Tätigkeiten an den Brennpunkten der jungen Generation forderten ihn zu einer lebendigen Auseinandersetzung mit ihren Lebensformen heraus.
Seine Aufgabe in Taizé war von Anfang an von einigen Ehepaaren aus dem Dorf entscheidend mitgetragen. Einige Male berichtet er von tiefen Begegnungen mit den einfachen Menschen seiner Wahlheimat und findet sehr schöne Worte für ihr eheliches Zusammenleben.
Sie waren es auch, die die aller ersten Gäste der eben gegründeten Communauté beherbergten und so in ihrer familiären Gastfreundschaft im kleinen vorwegnahmen, was sich später in ungeahntem Ausmaß verwirklichen sollte.
Frère Rogers eigentlicher Bezug zum ehelichen Leben entstand aber erst aus seiner Rolle als gesuchter geistlicher Ratgeber für unzählige Menschen. In mehreren Tagebuchaufzeichnungen werden Gespräche erwähnt, die sich um Freundschafts - und Ehefragen drehen und bei denen er als geduldiger Zuhörer den Menschen beizustehen versucht.
Viele, auch ältere, Ehepaare kommen seit jeher nach Taizé, um gemeinsam die Quellen des Glaubens für ihre Beziehung zu suchen und gestärkt wieder aufzubrechen.
„Wäre das Vertrauen des Herzens aller Dinge Anfang...es macht dich verfügbar, mutig ein Ja für das ganze Leben zu wagen.
Manche finden ein mutig gewagtes Ja in ihrer Antwort auf den Ruf Christi zur Treue in einer Ehe.
In einer Zeit, in der so viele familiäre Beziehungen zerbrechen: wirst du, wenn du dich für die Ehe entscheidest, die Herausforderung annehmen, bis zum letzten Atemzug durchzuhalten?
Ein solches Durchhalten ist Widerschein der Treue, wie sie Christus selbst hält.“ [139]
„Jedes Hinabsteigen in unser Selbst führt uns zur Feststellung, dass alle innige Beziehung, auch die des engstverbundenen Ehepaares, die Anerkennung einer Grenze voraussetzt.
Dahinter ist menschliche Einsamkeit. Wer sich diesem Naturgesetz widersetzt, gerät, als Folge seines Widerstandes, in den Zustand der Revolte.
Die Einwilligung in diesen grundlegenden Tatbestand der Einsamkeit eröffnet eine Weg zum Frieden und macht es dem Christen möglich, eine unbekannte Dimension der Beziehung zu Gott zu entdecken.
Einwilligung in jenen Aspekt der Einsamkeit, der zu jedem menschlichen Leben gehört, fördert die innige Beziehung zu dem Einen, der uns der niederdrückenden Einsamkeit des sich selbst ausgelieferten Menschen entreißt.“ [140]
„In der Gemeinschaft der Ehe sind im verkleinerten Maßstab so viele Lebenswerte enthalten.
Manche Kirchenväter haben sie die „kleine Kirche Gottes“ genannt.“ [141]
5. Weihe:
Mutter Teresa:
Unter Weihe im hier gemeinten Sinn wird die Bischofs - Priester - und Diakonenweihe verstanden.
In den Schriften Mutter Teresas finden sich praktisch keine Aussagen zur Einsetzung in das Amt durch die Weihe und auch nur wenige Äußerungen über das Amt als solches oder die Amtsträger.
Wahrscheinlich setzte sie die Struktur der Kirche als so selbstverständlich voraus, dass sie sich mit diesen Fragen einfach nicht beschäftigte.
Für ihren Orden und sich selbst nahm sie den von ihr hochgeschätzten Dienst der Priester dankbar entgegen und suchte sie bei ihren Aufgaben im Gebet und in der Tat zu unterstützen.
1983 verwirklichte Mutter Teresa dann einen Plan, den sie schon jahrelang überlegt hatte: einen weiteren Zweig ihres Ordens für Priester zu gründen.
Der grundlegende Zweck dieser Gemeinschaft, die sie auf Anregung von Pater Joseph Langford ins Leben rief, sollte eine persönliche priesterliche Erneuerung sein, die sich in drei grundlegenden Bereichen ausdrückte: ein tieferes Gebetsleben, eine einfachere Lebensart und geistliche Nächstenliebe.
Die Geschichte der Entstehung der Patres der Missionarinnen der Nächstenliebe ist auch ein sehr schönes Beispiel dafür, wie sich Mutter Teresa ganz vom Willen Gottes leiten ließ, der oft auf krummen Zeilen gerade schreibt, und soll deshalb hier ausführlicher geschildert werden.
Pater Langford hatte 1978 einen ersten Entwurf verfasst, in der Hoffnung, dass Priester und Pfarrer im Zusammenhang ihres Priestertums und Pfarramts gemeinsam das Charisma der Erneuerung teilen konnten, das er in der universalen Kirche durch Mutter Teresa gegeben sah.
1979 traf er sich mit Mutter Teresa in New York und unterbreitete ihr seine Idee. Ihre Antwort war die gleiche wie bei ähnlichen Gelegenheiten: „Schreiben Sie mir, und wir werden sehen.“
Also schrieb er ihr einen zehnseitigen Brief, ohne jedoch eine Antwort zu erhalten.
Ein Jahr später machte Mutter Teresa in Haiti Zwischenstation auf dem Weg nach Kalkutta, wo sie plötzlich ihre Pläne änderte und ihm durch die Schwestern mitteilen ließ, dass sie ihn in New York treffen wolle.
Dort sagte sie ihm, dass sie, während sie in Haiti gewesen war, sehr stark das Gefühl gehabt hatte, dass es Gottes Wille sei, sie solle etwas Neues für das Priesteramt beginnen.
Sie verbrachten dann vier Tage gemeinsam im Haus der kontemplativen Brüder in der Bronx, um den ersten Entwurf der Statuten der Gemeinschaft abzufassen.
Von New York aus flog Mutter Teresa direkt zur Synode über die Rolle der christlichen Familie in der modernen Welt, und als sie dort vor der Versammlung von Bischöfen und Priestern das Wort ergriff, sprach sie, anstatt sich besonders auf das Familienleben zu konzentrieren, davon, dass man heilige Priester brauche, wenn man der christlichen Familie helfen wolle.
Die Synode dauerte einen Monat. Vor ihrem Ablauf hatten Mutter Teresa und Pater Langford die Verfassung für die Priester-Mitarbeiter Papst Johannes Paul II. vorgelegt. Der Papst erwies dem Antrag seine ganz persönliche Gunst, indem er den Wunsch ausdrückte, als „erstes Mitglied der Bewegung“ angesehen zu werden.
Das war der Anfang der Patres der Missionarinnen der Nächstenliebe, zunächst in geringem und kaum organisiertem Umfang, später dann aber in etwa sechzig Ländern. [142]
„Maria ist ganz besonders den Priestern nahe. Niemand kann ein besserer Priester sein, als sie es gewesen ist. Sie kann ohne Zögern sagen: ,Das ist mein Leib’, weil sie Jesus ja wirklich ihren eigenen Leib geschenkt hat.
Und dennoch blieb Maria die schlichte Magd des Herrn, so dass wir uns immer an sie als unsere Mutter wenden können. Sie ist eine von uns und wir sind immer mit ihr vereint.
Nach dem Tod ihres Sohnes hat sie auf der Erde weitergelebt, um die Apostel in ihrem Dienst zu stärken, ihnen Mutter zu sein, bis die junge Kirche Gestalt angenommen hatte.“ [143]
„Unsere erste Überlegung ist, ob die Leute dort unsere Hilfe wirklich brauchen.
Und dann ist es wichtig, dass wir einen Priester bei uns haben. Wir können nichts tun ohne die tägliche heilige Kommunion. Das würde bedeuten, ohne Christus zu sein.“ [144]
Frère Roger:
Auch Frère Roger beschäftigt sich in seinen Schriften praktisch nie mit der Weihe als solcher, sehr wohl aber nimmt das Amt, und hier vor allem das Priesteramt , einen weiten Raum in seinen Erwägungen ein. Noch um vieles mehr liegt ihm aber natürlich das Leben des einzelnen Priesters am Herzen, und Gespräche mit den verschiedensten Amtsträgern werden in seinen Büchern immer wieder erwähnt.
Frère Roger wurde als jüngstes von neun Kindern in eine schweizerische Pastorenfamilie hineingeboren und dieser Umstand hat sicherlich sein Leben mitgeprägt. Überraschenderweise erzählt er aber nur selten von dem Gefühl, ein Pastorenkind zu sein, und daher lassen sich keine klaren Schlüsse über sein Empfinden im Kindes - und Jugendalter ziehen.
Sein Vater war als Amtsträger sicherlich eine Autoritätsperson, was sich natürlich auch im Familienleben widerspiegelte, aber Frère Roger schätzte und liebte ihn sehr.
Die Kinder bekamen natürlich auch alle Hochs und Tiefs des Pastorenlebens hautnah zu spüren und erlebten sowohl eine ehrenvolle Versetzung, als auch die vorzeitige Pensionierung des Vaters aufgrund eines Unfalls mit.
Insgesamt ist jedoch in den Worten Frère Rogers viel Dankbarkeit und Anerkennung gegenüber seinem Vater und seiner Mutter zu spüren.
Das Verständnis der Kirchen aus der Reformation unterscheidet sich gerade in der Amtsfrage bis zum heutigen Tag doch wesentlich vom Verständnis der katholischen Kirche.
In ihrer starken Betonung des allgemeinen Priestertums wird das Dienstpriestertum praktisch negiert und das Amt vor allem als eine wichtige Funktion neben anderen gesehen.
Jedes sakrale Missverständnis wird tunlichst vermieden und daher auch weder das Wort „Priester“ für den Amtsträger noch das Wort „Weihe“ für die Einsetzung in das Amt verwendet.
Taizé wurde mit der Gründung der Communauté ein Ort, der Menschen mit den verschiedensten Glaubensansichten zu der einen gemeinsamen Quelle zog. So standen die Brüder von Anfang an auch in regem geistlichen Austausch mit den Amtsträgern der einzelnen Kirchen.
Frère Roger besuchte schon in jungen Jahren nach dem Vorbild seiner Großmutter die katholische Messe und wollte damit ein Zeichen der Versöhnung setzen. Als schließlich auch
Katholiken in die Communauté aufgenommen wurden, stellte sich natürlich die Frage nach dem einen gemeinsamen Gottesdienst der Brüder, der über die täglichen Gebete hinausging.
Eine Feier von einzelnen Gruppen der Brüder in ihren jeweiligen Konfessionen kam dabei verständlicherweise nicht in Betracht, und so musste eine Entscheidung getroffen werden.
Seit Anfang der Siebziger Jahre nimmt nun die gesamte Gemeinschaft an der Messe teil, die von einem katholischen Priester in der Krypta der Versöhnungskirche geleitet wird.
Dadurch entstand klarerweise ein verstärkter Bezug der Communauté zum Priestertum und eine noch größere Anziehungskraft für katholische Geistliche.
Gerade in der Erneuerungsphase nach dem zweiten vatikanischen Konzil suchten viele Amtsträger in Taizé geistliche Orientierung und Stärkung. Die Tagebuchaufzeichnungen von Frère Roger spiegeln sehr eindrucksvoll wider, wie eine große Zahl von ihnen um ihre Berufung ringen, und der Prior von Taizé als Freund und Mitbruder im Herrn zu helfen versucht.
Unter den Brüdern befinden sich auch katholische Priester, die in Taizé und in den Gemeinden der Umgebung die Messe leiten. Gastpriester, die mit den Gruppen aus den verschiedenen Ländern kommen, werden häufig zur Zelebration und zur Spendung des Bußsakraments eingeladen.
Seine besondere Verbundenheit mit den katholischen Priestern aufgrund ihres ehelosen Lebens um Christi willen kommt in vielen Äußerungen des Vorstehers der Communauté zum Ausdruck. Seine Hochschätzung dieser Form der Nachfolge bezeugt das gesamte Leben Frère Rogers und sein Verständnis für deren tiefsten Grund ist von schlichter Klarheit.
„Was das Priestertum betrifft, so müsste man die Vorbereitung auf das Dienstamt von Grund auf umgestalten - selbst auf die Gefahr hin, nur wenige Priester zu haben.
Die Vorbereitung sollte Menschen fähig machen, sich selbst ein ganzes Leben lang zu befragen, das Warum des eigenen Verhaltens und das Warum des Warum, die Hintergründe der Gründe aufzudecken.
Die Studien sollten vor allem eine Zeit des persönlichen Neuwerdens sein und nicht ein Anhäufen von Bücherwissen. In Zukunft wird man geistige Erkenntnisse etappenweise, nach und nach, das ganze Leben hindurch erlangen.“ [145]
„Weiß die katholische Kirche, welch radikale Umkehrung der Werte sie (mit einer Aufhebung des Zölibats) einleiten würde ?
Der Zölibat der Priester, Torheit des Evangeliums, hat in ihr eine verborgene Wirklichkeit bewahrt.
Die Kirche hat sich darin auf das Unsichtbare, auf das Mysterium Christi ausgerichtet, welches das Irrationale des Evangeliums ist. Mit der Priesterehe würde die Kirche stärker funktionsbezogen und zweckorientiert werden.
Ich bin überzeugt, dass es notwendig sein kann, in bestimmten örtlichen Situationen verheiratete Männer zu Priestern zu weihen.
Aber diese Männer sollten Erfahrungen in der Ehe haben, damit sie nicht eines Tages feststellen müssen, dass ihr priesterlicher Dienst blockiert wird, etwa durch Kinder, die mit ihren Eltern uneins sind oder offen revoltieren, oder durch eine Ehepartnerin, die sich in der kirchlichen Situation gefangen sieht und damit nicht fertig wird.
Die Heirat der Priester wird zur Lösung der derzeitigen Krise nichts beitragen, denn diese Krise hängt nicht an der Frage ,Ehe oder Zölibat’.
Der zahlenmäßige Rückgang der Berufungen ist der gleiche an den protestantischen theologischen Fakultäten, obwohl diese Studenten immer heiraten konnten. Sowohl unter den Ehelosen als auch unter den Verheirateten gibt es Menschen, deren emotionale Sensibilität nicht voll entfaltet ist.
Der gewaltige und immer schneller werdende Rückgang der Berufungen hat andere Gründe und erfordert andere, wesentlichere Änderungen.“ [146]
„Wo liegt der Kern der priesterlichen Berufung ?
Der Priester sucht Christus als seine erste Liebe. Er setzt sein Leben ein; er ist bereit, es für die anderen hinzugeben.
Er löst auf Erden, was damit zugleich auch vor Christus gelöst ist. Er wird so zum Menschen, der befreit.
Er übt sich ein Leben lang im Zuhören, im Ausloten der Tiefen des Menschseins. Mit zunehmendem Alter lernt er immer mehr, die Menschen zu verstehen und ihnen Freiheit zu geben.
Und schließlich gibt er dem Geschehen Raum, durch das der Mensch in der Eucharistie aus dem Ostergeheimnis lebt.“ [147]
6. Firmung
Über dieses Sakrament ist in den Schriften Mutter Teresas und Frère Rogers nur wenig zu finden.
Die Firmung steht in engstem Zusammenhang zur Taufe, daher kann an das dort bereits Gesagte angeknüpft werden. Die bewusste und freie Entscheidung für den Dreifaltigen Gott und seinen Heilsplan mit den Menschen, die in diesem Sakrament besonders zum Ausdruck kommt, hat natürlich auch das Leben von Mutter Teresa und Frère Roger nachhaltig geprägt.
Als überzeugte und überzeugende Freunde Jesu in unserer Zeit dienen sie vielen, gerade jungen Christen, als Vorbild, und ihre Namen werden in diesem Zusammenhang in Firmheften sehr häufig genannt.
7. Krankensalbung
Auch dieses Sakrament wird von Mutter Teresa und Frère Roger nur selten erwähnt.
Mutter Teresa hat sich stets bemüht, in ihren Häusern den Christen den Empfang der Krankensalbung zu ermöglichen. Besonders in den Sterbehäusern wurde die Spendung dieses Sakraments von den Armen erwünscht.
Frère Roger hat bei vielen Kranken und Sterbenden, denen er beistand, die Krankensalbung miterlebt und die Stärkung und den Trost für die Betroffenen erfahren.