IX.  Die Ordensgemeinschaft

 

 

1. Berufung

 

 

Mutter Teresa:

 

Mutter Teresas gesamtes Leben als Ordensschwester gründete auf der Überzeugung, von Gott selbst in diesen Dienst gerufen worden zu sein.

In ihrer frühen Jugendzeit konnte sie sich ein derartiges Leben nicht vorstellen, doch die Berichte von zwei ihr bekannten Missionaren über die Mission in Westindien weckten ihr erstes Interesse.

 

Als 18 jährige rang sie sich endgültig zu der Entscheidung durch, dem immer deutlicher werdenden Ruf des Herrn zu folgen und schrieb ihrem Bruder, einem Offizier, der ihre Entscheidung in Zweifel zog: „Du denkst, Du bist wichtig, weil Du ein Offizier bist, der einem König mit zwei Millionen Untertanen dient. Ich aber diene dem König der ganzen Welt.“ [192]

 

Diesem Ruf zu folgen bedeutete, ihre geliebte Familie zu verlassen und sich auf ein recht ungewisses Abenteuer in einem fernen Land zu begeben, doch Mutter Teresa bereute diesen radikalen Schritt niemals.

Wo der Herr sie haben wollte, dort wollte sie sein, und so widmete sie sich mit ganzer Kraft der ihr verliehenen Aufgabe im Mädchenpensionat in Kalkutta.

 

Doch Gott kann in einem Menschenleben auch mehrfach und in verschiedener Weise seinen Ruf an seine Kinder richten, und oft wird erst viel später der innere Zusammenhang des einen göttlichen Plans mit diesem Menschen sichtbar.

 

Über Jahre hinweg führte der Herr Mutter Teresa auf sanfte Weise schließlich zu der klaren Erkenntnis des 10. September 1946, dass sie ihm in den Slums von Kalkutta als Licht für die Armen dienen dürfe.

Gerade von kirchlicher Seite stieß ihr diesbezüglicher Wunsch zunächst auf großes Unverständnis, doch wurde er schließlich gutgeheißen.

 

Im Rückblick auf Mutter Teresas Leben lässt sich sagen, dass es in seinem tiefsten Grund auf die schlichte Erfüllung des Willens Gottes gegründet war, wie sie ihn in seinem Ruf vernommen hatte. 

 

„Weil wir Ordensleute sind, liegt unsere eigentliche Berufung nicht darin, für die Aussätzigen oder Sterbenden zu sorgen, sondern Jesus anzugehören.

Weil ich ihm angehöre, ist die Arbeit für mich ein Mittel, meine Liebe zu ihm in die Tat umzusetzen. So ist sie kein Ziel, sie ist ein Mittel.

Weil es meine Berufung ist, Gott ganz anzugehören, ihn mit ungeteilter Liebe zu lieben, habe ich die Gelübde abgelegt.“ [193]

 

„Berufung ist einfach der Ruf, Christus ganz zu gehören, in der Überzeugung, dass nichts mich von seiner Liebe trennen kann.

Berufung ist die Einladung, sich in Gott zu verlieben und diese Liebe unter Beweis zu stellen.

Und wie liebe ich Gott? Wie beweise ich meine Liebe zu Gott?

Indem ich die Arbeit, die mir aufgetragen ist, gut verrichte, indem ich einfach das tue, was Gott mir anvertraut hat, ganz gleich, wie das aussieht.“ [194]

 

 

 

Frère Roger:

 

Auch Frère Rogers Zugang zu dem Geheimnis der Berufung zum Ordensleben ist sehr einfach.

Das Wirken Gottes in der Geschichte und im Leben jedes einzelnen Menschen kann sich eben auch in dem konkreten Ruf zu einer konkreten Aufgabe ausdrücken, auf den der Mensch in voller Freiheit antworten kann.

 

Das Vertrauen des Menschen auf seinen Schöpfer kommt an solch einem entscheidenden Punkt  auf einen Prüfstand, und kann wie Gold im Feuer geläutert  werden.

Die eigentliche Frage, die sich dabei indirekt stellt, lautet: „Warum will Gott, dass ich diesen Weg gehe?“ oder anders und noch tiefer gefragt: „Meint es Gott gut mit mir?“

 

Ebenso wie bei Mutter Teresas Berufung in der Berufung kam auch bei Frère Rogers Entscheidung eine besondere Dimension hinzu: Der Weg, den er gehen wollte, war nahezu unbekannt, weil ihn noch kein anderer beschritten hatte.

Erst im langsamen, schrittweisen Gehen bildete er sich heraus, und nahm die Lebensform der ökumenischen Brudergemeinschaft konkretere Züge an.

 

Bis zum heutigen Tag ist die Communauté der Freude ihres Gründers am Voranschreiten treu geblieben und in ihrer Grundhaltung sehr dynamisch ausgerichtet.

Vielleicht ist es auch deshalb, dass gerade in Taizé viele junge Menschen den Ruf zu einem Dienst in der Kirche verspürt, und darauf gegründet den Aufbruch in diese Nachfolge Christi gewagt haben. Biographien verschiedenster Menschen erzählen von einem derartigen Berufungserlebnis an diesem reich gesegneten Ort.   

 

 

„Zählst du zu den Menschen, die mit ganz geringen Mitteln teilen und bei andern froh machende Hoffnung entfachen?

Stiftest du mit fast nichts Versöhnung in der Gemeinschaft der Liebe, die Leib Christi, seine Kirche ist?

Der gemeinsame Einsatz spornt dich an - freue dich, du bist nicht mehr allein, in allem gehst du den Weg mit deinen Brüdern.

Mit ihnen bist du berufen, das Gleichnis der Gemeinschaft zu verwirklichen.“ [195]

 

„Genauso wie in der Mitte eines jeden Baumstammes sich das Mark von besonders hartem Holz befindet, genauso besitzt unsere Berufung gewissermaßen einen inneren Kern,

Christus, den Auferstandenen.“ [196]

 

 

 

2. Gemeinschaft

 

 

Mutter Teresa:

 

Ein entscheidendes Charakteristikum des Ordenslebens ist seit  ältesten Zeiten die Gemeinschaft. Wer sich zu dieser Lebensform gerufen fühlt, der wird damit praktisch ausnahmslos auch in eine konkrete Gemeinschaft gestellt.

 

Mutter Teresas Leben spielte sich immer in einer mehr oder weniger großen Gemeinschaft ab, und sie machte dabei Erfahrungen, wie sie auch schon die ersten Jünger in der Gemeinschaft des irdischen Jesus machten.

Am wichtigsten war dabei für Mutter Teresa der beharrliche, liebende Blick auf den, der die ganze Gemeinschaft überhaupt erst bildete und zusammenhielt: den auferstandenen Jesus Christus.

 

 

 

Nur von ihm erhielten sie die Kraft, die besonders anspruchsvolle Aufgabe zu erfüllen, durch ihre geschwisterliche Liebe zueinander ihre Berufung als Kinder des einen Herrn sichtbar werden zu lassen.

Die Wörter „Schwester“ und „Bruder“ werden gerade im Bereich des Ordenslebens so häufig gebraucht, dass dabei leicht ihre so tiefe Bedeutung verloren gehen kann.

Der hohe Anspruch, der den Ordenschristen gestellt ist, wird aber durch den reichen Lohn, den ein gelungenes Gemeinschaftsleben an Liebe und Freude mit sich bringt, reichlich vergolten.

 

Die Missionarinnen der Nächstenliebe leben meist in kleinen Gemeinschaften von etwa vier Schwestern in Elendsvierteln auf der ganzen Erde. Im Normalfall wechseln sie alle drei Jahre den Ort ihres Wirkens, und so bildet sich die Wohngemeinschaft in den einzelnen Häusern immer wieder neu.  

 

 

„Je einfacher die Konstitutionen sind, desto mehr gleichen sie dem Evangelium.

Lebt zunächst einfach das Evangelium; aus diesem Leben erwachsen dann auch die Konstitutionen.“ [197]

 

„Unsere Liebe muss von innen her kommen, aus unserer Einheit mit Christus. In unserem Leben muss unsere Liebe zu Gott, zu unserer Oberin und den Schwestern zum Ausdruck kommen, mit denen wir eine einzige Familie bilden: eine Familie, in der wir alle denselben Vater haben, den Vater im Himmel.

Lieben muss so normal für uns sein wie das Leben und Atmen. Tag für Tag bis zu unserem Tod.“ [198]

 

 

 

Frère Roger:

 

Auch das intensive Leben in einer christlichen Gemeinschaft verbindet Frère Roger mit Mutter Teresa. Bei ihm kommt dem greifbaren Zeichen des geschwisterlichen Zusammenseins sogar noch eine ausdrücklichere Bedeutung zu, denn von Anfang an wollte die Communauté ganz bewusst durch ihr Gemeinschaftsleben ein Gleichnis der Versöhnung sein.

 

In den Quellen von Taizé, die so etwas wie die Regel des Ordens darstellen, kommt diesem Aspekt eine entsprechende Bedeutung zu, und die Brüder sind von dem Geist des Miteinander sehr stark geprägt.

 

Besonders eindrucksvoll ist die Kraft dieser Gemeinschaft von tatkräftigen und entschlossenen

Christen dann zu sehen, wenn sie zusammen eine Aufgabe erfüllen, die ein einzelner oder eine eher lose Gruppe niemals bewältigen könnten.

Das ganze Jahr über sind die Brüder damit in Anspruch genommen, Tausende junge Menschen aus der ganzen Welt zu empfangen, zu beherbergen, und zu beraten, und durch den sinnvollen Einsatz der jeweiligen Talente wird die Arbeitslast gemeinsam getragen.

 

Frère Roger kommt als Gründer und Prior dieser außergewöhnlichen Gemeinschaft der Dienst der Leitung zu, aber seine hohe geistliche Autorität ist natürlich auch ein Garant für das harmonische Leben der Brüder untereinander. Ein jeder von ihnen kann in ihm einen Bruder und Vater im Herrn sehen, und diese gemeinsame Liebe zu derselben Person verbindet sie wiederum in Liebe.   

 

In aller Unaufdringlichkeit hat das christliche Ordensleben durch Frère Roger und Mutter Teresa  viele neue Impulse erhalten.

Wenn man die Schwestern und Brüder ihrer beiden Kongregationen sieht, kann man verstehen, welche gewaltige Anziehungskraft diese Lebensform auch heute noch hat.

So haben die beiden wiederum geholfen, einen Schatz des Christentums zu bewahren, und diesen Schatz gleichzeitig für mehr Menschen fruchtbar werden zu lassen.   

 

„Wer sind wir eigentlich?

Eine Begegnung von Menschen, die einander nicht gewählt haben und nun den Versuch unternehmen, etwas vom Leben der christlichen Urgemeinde neu zu leben...

Eine kleine, zerbrechliche Gemeinschaft, die an einer irrsinnigen Hoffnung hängt:

der Hoffnung auf Aussöhnung aller Getauften und darüber hinaus aller Menschen untereinander.

Wir sind eine Ansammlung von Schwachheiten in Person, dabei aber eine Gemeinschaft , heimgesucht von einem anderen als wir selbst.“ [199]

 

„Freilich soll unsere Communauté geringfügig weiter wachsen, jedes Jahr um einige Brüder, denn ohne Wachstum kann eine Familie nicht leben.

Wir dürfen jedoch darüber nicht vergessen, dass es nötig ist, junge Menschen, die zum Dienst in der Kirche berufen sind, auch auf die Theologischen Fakultäten, die Priesterseminare, die anderen Ordensgemeinschaften oder auf Lebensformen engagierter Laien hinzuweisen.“ [200]

 

 

 

3. Oberin, Prior

 

 

Mutter Teresa:

 

Wohl jede Schwester, die jemals in den Orden der Missionarinnen der Nächstenliebe eintrat, tat dies auch in großer persönlicher Liebe zu Mutter Teresa.

Ihre unvermeidliche Autorität als Generaloberin war daher auf das denkbar beste Fundament gebaut, und so konnte sie ihr Amt der Leitung und Erhaltung der Einheit zum Wohl der gesamten Gemeinschaft ausüben.   

 

Das hohe Ansehen der Ordensoberin war natürlich auch für die Arbeit jeder einzelnen Schwester von Vorteil, die ja durch ihre Saris eindeutig als solche zu erkennen waren und öffnete ihnen viele sonst verschlossene Türen.

Jede Schwester ist gleichsam eine kleine Mutter Teresa und damit natürlich vor einen hohen Anspruch gestellt, denn die Gründerin bleibt wohl für immer das leuchtende Vorbild aller Angehörigen des Ordens.

 

 

„Ich weiß, Ihr alle liebt Mutter und würdet alles tun, um ihr Eure Liebe und Dankbarkeit zu erweisen. Ich bitte Euch nur um eines.

Seid wahre Missionare und Missionarinnen der Nächstenliebe, und stillt so das Verlangen Jesu nach Liebe für die Seelen, indem Ihr für die Erlösung und Heiligung Eurer Gemeinde, Eurer Familie und der Armen wirkt. Lasst uns beten.“ [201]

 

„Der Vorgesetzte, der dir sagt, dies oder jenes zu tun, mag einen Fehler machen.

Ich kann etwas falsch machen, wenn ich den Schwestern sage, sie sollten etwas Bestimmtes tun und hierhin oder dorthin gehen.

Aber die Schwester, die tut, was ich ihr sage, macht keinen Fehler.

Entsprechend ist es für euch, Brüder. Wenn ihr davon überzeugt seid, werdet ihr verstehen, was Ganzhingabe ist.“ [202]

 

 

 

 

Frère Roger:

 

Frère Roger hat zeit seines Lebens das Amt des Priors auf eine Art und Weise ausgeübt, die sehr seinem bescheidenen Naturell entspricht.

Sein Verständnis dieser besonderen Funktion innerhalb der Gemeinschaft lässt sich auf die Kurzformel bringen: So viel Mitbestimmung wie möglich, so wenig Autorität wie nötig.

Dies hat sich in den fast fünfzig Jahren des Bestehens der Communauté durchaus bewährt.

 

Genau wie bei Mutter Teresa ist auch seine Autorität kaum auf Macht, sondern vielmehr auf die Liebe der ihm zur Leitung Anvertrauten gebaut, und der persönliche Kontakt zu jedem einzelnen Bruder konnte sich in dem natürlich viel kleineren Orden entsprechend intensiver gestalten.

Entscheidungen trifft er am liebsten gemeinsam, in aller Ruhe und Vertraulichkeit, etwa wenn die Brüder zum Essen zusammenkommen. Größere Dinge werden meist beim alljährlich stattfindenden Bruderrat erörtert, und somit die Mitsprachemöglichkeit der einzelnen unter selbstverständlicher Wahrung des Vorsteheramtes garantiert.

 

 

„Als Diener der Gemeinschaft setzt sich der Prior dafür ein, dass seine Brüder darauf bedacht sind, alle zusammen ein Gleichnis der Gemeinschaft zu verwirklichen.

Er soll nicht meinen, über seinen Brüdern zu stehen, sondern in Gott den Willen seiner Liebe zu erfassen suchen, wenn er - ohne an eine Mehrheit gebunden zu sein - die Grundentscheidungen der Gemeinschaft fällt.

Wenn er in einer wichtigen Frage einen Mangel an Übereinstimmung feststellt, trifft er eine vorläufige Entscheidung, auf die er später wieder zurückkommen kann.

Unterscheidungsvermögen, der Geist der Barmherzigkeit und eine unerschöpfliche Herzensgüte sind Gaben, die für ihn unersetzlich sind.

Er bestimmt einen Bruder, der nach ihm den Fortbestand sichern soll.“ [203]

 

 

 

4. Gelübde

 

 

Mutter Teresa:

 

Die drei Gelübde der Ehelosigkeit, der Armut und des Gehorsams haben das Ordensleben von seinen frühesten Anfängen an geprägt, denn wer diese Lebensform glaubhaft verwirklichen will, der braucht dazu Verbindlichkeit, und die Gelübde ermöglichen eben diese.

 

In Mutter Teresas Orden geht den ewigen Gelübden eine lange Vorbereitungszeit voraus, und wenn die jungen Mädchen schließlich diesen Schritt setzen, dann bleiben sie zum allergrößten Teil auch für immer in der Gemeinschaft.

 

Die drei evangelischen Räte sollen nun im folgenden jeweils einzeln besprochen und dabei auch ihre Verbundenheit untereinander berücksichtigt werden.

Die Art und Weise, wie Mutter Teresa diese Fundamente des Ordenslebens in die heutige Zeit übersetzte, stellt dabei zum Verständnis ihrer Person eine gute Hilfe dar. 

 

„Unsere Gelübde bestimmen unser religiöses Leben.

Unser Gelübde der Keuschheit ist nichts anderes als unsere ungeteilte Liebe zu Christus in Keuschheit; so schreiten wir fort zur Freiheit der Armut  - Armut ist nichts anderes als Freiheit. Und diese völlige Auslieferung ist Gehorsam.

Wenn ich Gott gehöre, wenn ich Christus gehöre, dann muss er über mich verfügen können. Das ist Gehorsam. So versehen wir unseren Dienst an den Armen mit ganzem Herzen.

Das ist Gottesdienst. Sie ergänzen sich gegenseitig. Das ist unser Leben.“[204]

 

 

„Wenn meine Schwestern ihre Gelübde ablegen, nehmen sie Jesus, den Gekreuzigten zum Bräutigam - und das ist ihre Berufung:

Christus mit ungeteilter Liebe zu lieben in Reinheit, in der wahren Freiheit, das heißt in der Armut, in totaler Hingabe im Gehorsam und in freiem Dienst von ganzem Herzen an den Ärmsten der Armen.

Sie beweisen ihre Liebe zu Gott, indem sie diese Liebe in lebendiges Tun umsetzen.“ [205]

 

 

 

Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen

 

Wie kaum jemand anderer haben Mutter Teresa und Frère Roger ihr Leben in einer nahezu selbstverständlichen Ehelosigkeit gelebt.

 

Gisbert Greshake schreibt dazu:

„Wo der Zölibat aber in ein Leben der Nachfolge integriert wird, ist er auch heute ein überzeugendes und respektiertes Zeichen. Ich habe zum Beispiel nie gehört, dass man die Ehelosigkeit von Mutter Teresa (könnte man sich diese Frau verheiratet vorstellen?) oder die der Brüder von Taizé problematisiert hätte.

Hier spürt man, dass die Ehelosigkeit ihren stimmigen Ort im Ganzen des Lebens hat.“ [206]

 

Mutter Teresa sah die Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen als das, was sie auch ist:  Ausdruck einer innigen Verbundenheit mit Gott, gleichsam als Ehe mit Gott.

Dieses Verständnis kommt ja von alters her in der Kleidung der Frauen zum Ausdruck, die sich für diese Lebensform in einer Ordensgemeinschaft entschieden haben.

 

Mit der Ablegung der Gelübde werden sie zu Bräuten Christi, und tragen deshalb als sichtbare Zeichen den Professring und den Schleier. Diese sind ein sehr auffälliger und eindeutiger Ausdruck ihres Entschlusses, von nun an auf radikale Weise dem Erlöser nachzufolgen. 

 

„Für mich ist Jesus

mein Gott, mein Bräutigam, mein Leben, meine einzige Liebe.

Jesus ist das Wichtigste in meinem Leben, mein ein und alles.

Jesus, ich liebe dich aus ganzem Herzen, mit meinem ganzen Sein.

Ich habe ihm alles gegeben, auch meine Sünden, und er hat mich in seiner zärtlichen Liebe zur Braut genommen.

Jetzt und für mein ganzes Leben bin ich die Braut meines gekreuzigten Bräutigams.   Amen.“[207]

 

 

Armut

 

Was für Frère Roger die Versöhnung ist, das war für Mutter Teresa die Armut.

Kaum ein Anliegen hat sie so sehr geprägt, wie die Linderung der materiellen und spirituellen Not unzähliger Menschen auf der ganzen Welt, und ihren Namen verbindet man vor allem mit der tatkräftigen Hilfe für die Menschen in den Elendsgebieten dieser Welt.

 

Dabei konnte sie so wie der heilige Franziskus gut unterscheiden zwischen der Liebe zur Armut, die das Leben auf das Wesentliche hin vereinfacht, und dem Einsatz für menschenwürdige Lebensbedingungen, die zwei Drittel der Erdbevölkerung vorenthalten sind.

 

Eine wichtige Dimension ihrer Sorge für die Armen ist bis heute relativ unbekannt geblieben.

Man kann nur staunen, wie viele Häuser Mutter Teresa in den so genannten hoch entwickelten Ländern des Westens eröffnete, wo doch die sichtbare Not in vielen anderen Ländern viel größer schien.

Mit ihrem feinen Gespür für die Sehnsüchte der Menschen hatte sie jedoch schnell erkannt, dass die spirituelle Armut gerade in den materiell reichen Nationen herrscht, und die Stillung des Hungers nach Liebe und Freude meist einer größeren Anstrengung bedarf, als die Stillung des Hungers nach Brot.   

Gottes Armut galt ihr dabei als Urbild der Liebe zu seinen Geschöpfen, denn er, der reich war, erniedrigte sich und wurde in Jesus ein armer Mensch, um ihnen durch Tod und Auferstehung hindurch den Schatz des ewigen Lebens zu schenken.

 

„Die Armut unseres Erlösers ist großer als die der ärmsten Tiere der Welt...

Er hatte kein eigenes Haus und keine feste Bleibe. Nichts war gesichert, weder die Unterkunft noch das Essen. Was er bekam, waren Almosen, die andere ihm aus Liebe gaben.

Dies ist wahrlich große Armut. Wie viel kann man davon lernen, wenn man bedenkt, wer er ist:

der Gott - Mensch, der Herr des Himmels und der Erde...

Wir sind glücklich zu nennen, dass wir berufen sind, im kleinen teilzuhaben an der Armut des großen Gottes...

Wir haben nichts zum Leben, und doch leben wir glänzend.

Wir haben keinen Boden unter den Füßen, und doch schreiten wir furchtlos voran.“ [208]

 

„Als unser Herr Schwestern haben wollte für seinen Dienst an den Armen, verlangte er von ihnen ausdrücklich die Armut des Kreuzes. Unser Herr besaß am Kreuz nichts:

Er hing an einem Kreuz, das Pilatus gestellt hatte. Die Nägel und die Krone hatten die Soldaten ihm gegeben... Man wickelte ihn in ein Leichentuch, das ein mitfühlender Mensch gebracht hatte, und bestattete ihn in einem Grab, das nicht ihm gehörte.“ [209]

 

„Ich möchte nicht, dass du einfach von deinem Überfluss abgibst. Du sollst berühren, um zu verstehen. Wir sind nicht Sozialarbeiter, sondern Kontemplative in der Welt.

Bei unserer Arbeit unter den Ärmsten der Armen berühren wir Jesus alle vierundzwanzig Stunden des Tages.“ [210]

 

 

Die materielle Armut kannte Mutter Teresa seit ihrer Kindheit sehr genau. Mit Ausnahme der Jahre im Loretokloster führte sie stets ein Leben, das sich ganz der Armut der Menschen um sie herum anglich, und die ständige Begegnung mit den Allerärmsten war eine sehr eindringliche Erinnerung an ihr diesbezügliches Gelübde.

Im Mutterhaus in Kalkutta gibt es beispielsweise nicht einmal Vorhänge vor den Fenstern, weil dies nicht dem Lebensstandard der meisten Menschen dort entspricht, und die eventuelle Verlockung zum Eintritt in den Orden aufgrund materieller Motive Mutter Teresa völlig absurd erschien.

 

„Wie könnte ich den Armen ins Gesicht sehen, wie könnte ich ihnen sagen, ich liebe und verstehe euch , wenn ich nicht wie sie lebe?“ [211]

 

„Auch wer das Problem der Armut verstandesmäßig kennt, hat es nicht verstanden. Nicht durch Lesen, nicht bei einem Rundgang durch die Slums, während dessen wir das eine bewundern und das andere bedauern, können wir es verstehen und entdecken, was darin Gutes und Böses liegt.

Wir müssen in die Armut hineintauchen , sie leben, sie teilen.“ [212]

 

„Meine Gemeinschaft sind die Armen. Ihre Sicherheit ist die meine, ihre Gesundheit  die meine, mein Haus das ihre. Es sind aber nicht die Armen, sondern die Allerärmsten, die niemand aufnimmt, weil sie ansteckend und voller Bazillen und Schmutz sind.

Es sind die, die nicht in die Kirche gehen, weil sie nicht zerlumpt gehen können. Es sind die, die nichts essen, weil sie nicht mehr die Kraft dazu haben.

Es sind die, die auf der Straße umfallen und wissen, dass sie da sterben und dass die Lebenden vorbeigehen, ohne einen Blick auf sie zu werfen.

Es sind die, die nicht weinen, weil sie keine Tränen mehr haben.“ [213]

 

 

Die spirituelle Armut der reichen Nationen wurde immer dann besonders offensichtlich, wenn Mutter Teresa dort ein Haus eröffnete, und dies ist mittlerweile in nahezu allen ihr zugänglichen Millionenstädten geschehen.

Die anwesenden lokalen Vertreter von Kirche und Staat waren dabei einerseits meist peinlich berührt, aber andererseits froh, dass ihnen nun so kompetente Helferinnen zur Seite standen.  

 

„In Indien und anderen unterentwickelten Ländern sind wir materiell arm. In vielen Ländern dagegen, in Europa, Amerika und anderswo, gibt es die geistige Armut.

Da sind die Reichen arm, ja in einem gewissen Sinn erheblich ärmer als unsere Leute in Kalkutta, die nur materiell arm, aber reich an Liebe sind...

Das ist sogar die größte Armut, die ein Menschenherz treffen kann: ohne Liebe, ohne Gott zu sein.“ [214]

 

„Ihr im Westen habt Millionen von Menschen, die unter schrecklicher Einsamkeit und Leere leiden. Sie fühlen sich ungeliebt und unerwünscht.

Diese Menschen hungern nicht im körperlichen Sinn, sondern auf andere Weise. Sie wissen, dass ihnen etwas über das Geld hinaus fehlt, doch sie wissen nicht, was es ist.

Was ihnen wirklich fehlt, ist eine lebendige Beziehung zu Gott.“ [215]

 

 

Mutter Teresa war stets bemüht, einen wirklichen, gegenseitigen Ausgleich zwischen Arm und Reich zu fördern. Wenn sie etwa Menschen aus dem Westen als ihre Mitarbeiter oder sogar Mitschwestern für die Arbeit mit den Armen gewann, dann konnte sie sicher sein, dass beide Seiten dadurch bereichert wurden.

 

„Wer sind wir, dass wir die Reichen verurteilen?  Unsere Aufgabe besteht darin, die Armen und die Reichen gegenüberzustellen, der Ort zu sein, wo sie einander begegnen...

Familien der obersten Kaste adoptieren Kinder, die wir auf der Straße aufgelesen haben:

Da geht es wirklich um eine Revolution, wenn man an die Vorurteile der Kasten denkt.

Bei dieser Begegnung bessert sich der Reiche, weil er den Armen die Liebe Gottes aufzeigt, und der Arme wird besser durch die Liebe, die er vom Reichen empfängt...“ [216]

 

„Aber wir haben kein Recht, die Reichen zu richten.

Wir wollen keinen Zusammenstoß der Klassen, sondern eine Vereinigung, eine Verbrüderung, indem die Reichen die Armen und die Armen die Reichen retten.“ [217]

 

 

 

Gehorsam

 

Gehorsam ist ein weiteres Wort, das durch seinen häufigen Gebrauch und auch Missbrauch den eigentlichen Sinn fast gänzlich verloren hat.

Diese liegt im Hören auf jemand anderen, und dem daraus entspringenden Handeln. 

 

Im religiösen Bereich denkt man dabei natürlich auch immer an das Hören auf Gott und die Erkenntnis seines Willens. Der entscheidende Punkt, der auch immer wieder Anlas zu Diskussionen gibt, ist aber der, dass Gott seinen Willen auch durch Menschen mitteilt, die die Befugnis haben, über andere zu entscheiden. 

 

Die Verweigerung des Gehorsams gegenüber diesen Menschen drückt daher indirekt immer die Annahme aus, das sie den wahren Willen Gottes nicht erkannt haben und man selber schon.

Interessanterweise sind Probleme in diesem Bereich meist ein sicheres Anzeichen dafür, dass eine oder beide Seiten ihr Leben wieder stärker auf Gott ausrichten sollten.

 

Noch interessanter ist, dass es im Orden Mutter Teresas bis heute auffallend wenige Probleme mit dem Gehorsam gab.  

„Das Gelübde des Gehorsams ist schwer. Denn indem man dieses Gelübde ablegt, gibt man das einzige auf, was einem gehört: den eigenen Willen.

Sonst gehören meine Gesundheit, mein Leib, meine Augen, alles an mir ihm, und er kann es nehmen. Ich kann fallen, ich kann zerbrechen, aber mein freier Wille nicht.

Ich muss mich entscheiden, ihn hinzugeben, und das ist schön.“ [218]

 

„Richtig gelebter Gehorsam befreit uns von Egoismus und Stolz und hilft uns, Gott und in ihm die ganze Welt zu finden.

Gehorsam ist eine besondere Gnade, er bringt unerschöpflichen Frieden, innere Freude und eine tiefe Einheit mit Gott hervor.“ [219]

 

 

 

 

 

Frère Roger:

 

Wie schon erwähnt ist die Communauté von Taizé ein in der mehr als vierhundertjährigen Geschichte des Protestantismus einmaliges Phänomen.

Insbesondere die lebenslange Bindung an die drei evangelischen Räte hat bei manchen Verwunderung hervorgerufen, die sich aber häufig in Bewunderung wandelte.

Da man die Echtheit des christlichen Lebens an seinen Früchten erkennen kann, ist in Bezug auf die von Frère Roger gegründete Gemeinschaft und deren seit fast einem halben Jahrhundert geübte Lebensweise nichts mehr hinzuzufügen. 

 

 

„Wir hatten versucht, uns nicht über Gebühr von den Erfahrungen anderer beeinflussen zu lassen. Wir wollten von vorne beginnen.

Dennoch wurde uns eines Tages deutlich, dass wir unserer Berufung nicht treu bleiben konnten, ohne uns für das ganze Leben, unwiderruflich, zu engagieren.“ [220]

 

„Das Stück Irrtum oder Zweideutigkeit, das jeder Lebensentscheidung anhaftet, wird im Feuer des Geistes Gottes verbrannt.“ [221]

 

 

 

Ehelosigkeit um des Himmelsreiches willen

 

Zu einem großen Teil kann hier auf das schon im Zusammenhang mit der Priesterweihe Gesagte  verwiesen werden.

Als wichtige Ergänzung ist jedoch zu erwähnen, dass diese Lebensform im Unterschied zum Weltpriester mit dem Leben als Ordenschrist untrennbar verbunden ist.

Wie jeder weiß, könnte es auch verheiratete Weltpriester geben, aber ein verheirateter Ordenschrist wäre ein Widerspruch in sich.

Daher ist das lebenslange Engagement der Brüder von nicht zu überbietender Verbindlichkeit und Ausdruckskraft.   

 

 

„Tragendes Motiv dieser Lebensform kann dabei nie enttäuschte Liebe oder eine Abneigung gegenüber der Ehe sein, sondern nur die Treue zu Christus und die Bereitschaft, total für die anderen Menschen da sein zu wollen.“ [222]

 

„Man kann keine Wahl treffen ohne andere Möglichkeiten für immer auszuschließen. Andernfalls wären wir unbeständig wie Wetterfahnen: wir wollen ja sagen, aber nur für den Augenblick, ohne dauerhafte Konsequenzen.

Das Ja zur Ehe wie zur Ehelosigkeit stellt uns sozusagen auf einen steilen Grat. Dabei geht es um den ganzen Menschen, mit seinem Leib und allen Kräften seines Innern:

Intelligenz, Empfindungsvermögen, affektive Neigungen, Phantasie.“[223]

 

 

 

 

Armut

 

Die Armut ist unter den Versprechen der Brüder nicht aufgeführt, man spricht lieber vom Zusammenlegen allen Besitzes, was natürlich eine mögliche Armut nicht ausschließt.

Frère Roger bestand immer auf einer einfachen Lebensführung, weil die Einfachheit unzertrennlich mit der Freude und der Barmherzigkeit verbunden sei und diese drei zusammen den Geist der Seligpreisungen ausdrückten.

Ohne die Freude wäre die Einfachheit bloß triste Strenge, ohne die Barmherzigkeit könnte sie leicht zur Verurteilung anderer führen.

 

„Mach dir keine Sorgen, wenn du kaum etwas zu teilen hast: einen geringen Glauben, nur wenig Besitz. Teils du dieses Wenige, schenkt Gott dir eine Überfülle des Herzens, die nie versiegt.

Wer seinen Besitz teilt, kann nicht umhin, den eigenen Lebensstil zu vereinfachen und seine Wohnung zu öffnen.

Es braucht nur wenig, um gastfreundlich zu sein. Zuviel Besitz hemmt die Gemeinschaft eher als sie zu vergrößern. Bei Tisch entfaltet sich der Geist des Festes in der Einfachheit.

Vereinfachen, um intensiv zu leben - darin findest du den Geschmack am Leben.“ [224]

 

 

Gehorsam

 

Auch das Wort Gehorsam wurde in den Quellen von Taizé vermieden.

Bei der Profess verpflichtet sich der Bruder anzuerkennen, dass es in der Communauté einen „Diener der Gemeinschaft“ gibt, der die seelsorgliche Aufgabe hat, ständig die Gemeinschaft unter allen Brüdern zu erneuern.

 

Zu seinem Dienst gehört es unter anderem, jedem Bruder auf der Suche nach der eigenen Begabung zu helfen, damit er sie innerhalb des Gemeinschaftswerkes frei entfalten kann.

Ein Bruder meinte dazu: „Frère Roger steht in unseren Augen nicht eigentlich an der Spitze der Communauté, sondern eher in ihrer Mitte, im Zentrum. Seine Sicht der Dinge inspiriert uns.

Ihm obliegt es, zum Ausdruck zu bringen, was die Communauté zu leben versucht. Aber er ist auch jemand, der zuhört, der sich ständig darum müht, die Gaben jedes Bruders zu wecken und sich auf sie zu stützen.“ [225]

 

Damit nicht ein Geist des gegenseitigen Sich - Überbietens gefördert wird habe der Prior laut Frère Roger von seinem Herrn den Auftrag, die Entscheidung zu fällen, ohne dass er dabei an eine Mehrheit gebunden wäre.

Wenn sich die Communauté auf Mehrheitsbeschlüsse einließe, so hieße das für ihren Gründer, dass sich der Wille des Herrn durch einundfünfzig Prozent der Stimmen zu erkennen geben müsste. Es käme zur Fraktionsbildung und zu einem Übergewicht der wortgewandten und selbstsicheren Brüder.

 

 

„Eines fasziniert an Gott: die Demut seiner Gegenwart. Niemals bestraft er, nie verletzt er die Menschenwürde. Erzieht nicht am Strick, um sich Gehorsam zu verschaffen.

Jede herrschsüchtige Geste würde sein Antlitz entstellen. Die Vorstellung, dass Gott kommt und bestraft, ist eines der größten Glaubenshindernisse.“[226]

 

„Die Regel muss man in der Stunden der geistlichen Dürre noch treuer befolgen als an den Tagen, wo der Glaube spontan zu Gebet und Andacht treibt.

Dann auch muss man sich früherer Erhörungen, der Stunden der Fülle der Gegenwart Gottes erinnern.

Das einzige Mittel gegen Gesetzlichkeit und Gewohnheit ist gerade, seiner Regel treu zu bleiben, Inbrunst und Anbetung unablässig mit allem Eifer zu suchen.“ [227]

 

 

5. Lebensstil

 

 

Mutter Teresa: 

„Der Welt erscheint es als Torheit, dass wir uns über ein ärmliches Essen freuen, dass wir rohe, geschmacklose Speisen zu uns nehmen, dass wir nur drei Habite besitzen, die aus grobem Stoff

oder alten Soutanen gemacht sind, dass wir sie ausbessern und flicken, dass wir sie sorgfältig pflegen und uns weigern, mehr zu haben,

dass wir froh jede Art von Schuhen tragen, gleich welcher Form und Farbe, dass wir uns mit nur einem Eimer Wasser in einem kleinen Bad waschen, dass wir schwitzen, aber keinen Ventilator wollen, dass wir hungrig und durstig umhergehen, aber in den Häusern der Leute kein Essen annehmen...

...dass wir auch bei Regen oder in der glühenden Sommersonne weite Strecken zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurücklegen, dass wir mit der Straßenbahn oder in überfüllten Zugabteilen reisen, dass wir auf harten Betten schlafen..., dass wir mit Freude in der Krankensälen der Armen behandelt werden, wo wir doch ohne Schwierigkeit Einzelzimmer haben könnten..., dass wir im Nirmal Hriday, dem Haus für die Sterbenden, und im Shishu Bhavan, einem Haus für die Neugeborenen, mit Freude die Toiletten putzen und saubermachen, als wäre es der schönste Beruf der Welt...

All das nennen wir unseren ,Tribut an Gott’. In den Augen der Welt vergeuden wir unser kostbares Leben und vergraben unsere Talente. Ja, unser Leben ist völlig vergeudet, wenn wir es nur im Licht der Vernunft sehen.

Unser Leben hat keinen Sinn, wenn wir nicht auf Christus in seiner Armut blicken.“ [228]

 

Diese Worte sagen schon das Wichtigste über den Lebensstil Mutter Teresas und ihrer Schwestern aus. Er hat sich seit fünfzig Jahren bewährt und ist ein ganz wesentlicher Ausdruck ihrer echten Berufung zur Armut.

 

 

Frère Roger:

 Aus dem bisher Gesagten wird klar, dass der Lebensstil der Brüder von Taizé als einfach und vernünftig bezeichnet werden kann.

Die durch die eigene Arbeit erworbenen Mittel werden in einer Gemeinschaftskasse gesammelt , aus der sich jeder so viel nimmt, wie er braucht.

Daraus ergibt sich konsequenterweise ein sehr verantwortungsvoller Umgang mit dem gemeinsamen Vermögen, der wiederum die Verbundenheit untereinander stärkt. 

 

 

 

 

6. Gäste

  

Mutter Teresa:

 Aufgrund ihrer weltweiten Berühmtheit wurde Mutter Teresa auch von Menschen aus aller Welt besucht. Hunderte kamen täglich in das Mutterhaus in Kalkutta, das zeit ihres Lebens ihr Hauptwohnsitz war, und brachten ihr die verschiedensten Anliegen vor.

Für die meisten bestand sicher ein besonderer Anreiz darin, einer lebenden Heiligen zu begegnen, und durch ihre Gegenwart mit Gott in Berührung zu kommen, was ja in unserer heutigen säkularisierten Welt ein überaus weit verbreiteter Wunsch ist.

Allen ihren Besuchern  schenkte Mutter Teresa  eine wundertätige Medaille und segnete sie mit einem Kreuzzeichen auf die Stirn.   

 

 

 

Frère Roger:

 Als kurz nach der Gründung der Communauté die ersten Jugendlichen nach Taizé kamen, waren die Brüder darüber sehr erstaunt und glaubten, dass dies nur ein vorübergehendes Phänomen sei. Die ersten Gäste wurden daher aus Platzmangel noch in einem Nachbardorf untergebracht, doch der Besucherstrom dauerte an und wurde ständig größer.

Daher entschlossen sich Frère Roger und seine Mitbrüder schon bald, die Gäste ganz in ihrer Nähe unterzubringen, und dabei ist es bis heute geblieben.

 

 „Finden die Gäste, die wir Tag für Tag empfangen, in uns Menschen, die Christus ausstrahlen, der unser Friede ist?

Da wir berufen sind, vielen Aufnahme zu gewähren, ist es unerlässlich, dass dies im Geist der Unterscheidung geschieht. Jede plumpe Vertraulichkeit würde den Sinn unserer Berufung verschleiern.“ [229]

 

„Eine Wohnung, selbst eine ganz kleine, kann auch durch einige Zeichen, die an die Gegenwart Gottes erinnern, das Unsichtbare ahnen lassen, durch eine Ikone, vor der ein Licht brennt...

Im vierten Jahrhundert schrieb Johannes Chrysostomus: „Aus der eigenen Wohnung eine kleine Kirche zu machen ist ein mutiger Schritt.“

In den immer säkularisierteren Gesellschaften kann eine Wohnung zum Ort werden, an dem sich den Gästen die Quellen des Glaubens erschließen.“ [230]

 

 

 

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